Archiv der Kategorie: 3.3 .. Matsuri

Zu diesem Abschnitt gehören die beiden Matsuri in Takayama und Nikko

Chuzenji und viel Wasser

Immer noch Dauerregen. Heute soll es zum Kegon-Wasserfall am Chuzenji und zum Kirifuri-Wasserfall gehen. Ich starte um 11 Uhr mit dem Hotel-Shuttle. Ein Vorteil des Kanaya ist, daß es ein zweites Hotel oben am See und regelmäßige Hotel-Shuttles gibt. Der Fahrer stoppt nur für mich am Wasserfall. Oben erwartet mich neben noch mehr Regen auch noch Wind.

Der Anblick ist durch den Wind irre. Der Wasserfall sprüht in alle Richtungen, sieht jede Sekunde anders aus. Die Gischt ist so stark, daß der untere Bereich im Wassernebel verschwindet. Mit dem Fahrstuhl geht es nach unten. Ich bin der einzige; klar bei dem Wetter. Von hier unten sieht der Wasserfall noch hoeher und imposanter aus. Man darf sich jetzt aber auch keinen Niagara-Wasserfall vorstellen. Es ist eher ein dünner Rinnsal, der hier über die Felskante fließt. Zumindest ist er hoch und der Wind zerzaust ihn stark. Kurz vor dem Tal trifft er auf einen Fels, sodaß sich eine kleine Kaskade ergibt, die dem Ganzen etwas optisch reizvolles gibt. Aber, neben dem Regen, der so langsam alle Lagen meiner Kleidung durchdringt, ist es arschkalt. Hier liegt sogar noch Schnee. Ich breche meine Zelte ab. Ein bischen Bewegung und der windgeschuetzte Tunnel zum Fahrstuhl werden mich hoffentlich etwas auftauen lassen. Oben gibt es zudem eine Getränkeautomat mit Heißgetränken.

Anschließend sollte es eigentlich am See weiter zum Kanaya gehen, damit ich den Shuttle zurück nehmen kann. Das überlege ich mir aber noch mal. Vom See ist nur die Hälfte sichtbar. Der Rest ist in Regen und Nebel verschwunden. Das macht keinen Spaß. Bei der Kamera ist auch schon wieder der Autofokus ausgefallen. Vom Display reden wir erst gar nicht. Ein Ramenshop nahe der Bushaltestelle bietet Gelegenheit zum Aufwärmen. Dann geht es zurück nach Nikko. Ich habe es zumindest versucht.

Nach einer kurzen Pause im Hotel – der Regen hat etwas nachgelassen – nehme ich den zweiten Wasserfall in Angriff. Die Bushaltestelle ist direkt vor dem Hotel. Praktisch. Es geht diesmal an der Kreuzung rechts rum. Von der Haltestelle führt ein schmaler Weg in die Berge. Es reizt, hier eine Wanderung zu starten. Aber der Zeitplan gibt es nicht her. Es ist schon Nachmittag und ich will nicht riskieren den Rückweg in den Bergen in Dunkelheit anzutreten. Außerdem ist der Wasserfall mein Ziel. Der Weg dorthin führt in den Wald und ist dann ziemlich abrupt (ohne Vorwarnung) zu Ende. Hier ist man noch weit weg vom Wasserfall. Man kann ihn sehen, aber wie kommt man dichter heran? Einen offiziellen Pfad gibt es nicht; und inoffiziell anscheinend auch nicht. Bei dem Regen und dem glitschigen Untergrund will ich auch keinen Abstieg auf eigene Faust ins Tal riskieren.

So wie es aussieht hat sich heute alles gegen mich verschworen. So einen toten Tag hatte ich bisher noch nie in Japan gehabt. Und so bleibt mir nur der Rückweg. Der Tag endet früh im Hotel. Ich habe nicht die geringste Lust noch irgendwohin zu laufen. Zuviel Regen und eine geflutete Kamera. Jetzt gibt es zum Auftauen erst einmal ein Schaumbad; wenn man schon einmal eine europäische Badewanne hat, kann man sie auch europäisch nutzen. Durchgewärmt folgt ein Besuch im Hotelrestaurant. Anschließend geht es wieder in die Dacite Bar. Fazit: Wer ein Hotel bucht, sollte es auch nutzen. Nicht nur zum Schlafen und Duschen. Das rettet in meinem Fall zumindest ein wenig die Stimmung.

Nikko Matsuri und Steigungen

Matsuri-Tag. Again. Diesmal ist der Ort des Geschehens Nikko, die alte Tempelstadt. Kurz vor 8:30 Uhr gibt es erst einmal Frühstück; Western Style. Schließlich ist dies das Nikko Kanaya. Noch britischer geht es nur in England selbst. Um 9:30 Uhr geht es raus. Unten an der Brücke treffe ich die ersten Festwagwen. Was für ein Timing.

Die Festwagen sind kleiner und bei weitem nicht so prunkvoll wie in Takayama. Ihre Funktion ist auch ein völlig andere. Soweit ich es verstanden habe, hat jeder Schrein in der Umgebung so einen Wagen, der eine Art mobile Version des Schreins darstellt. Auf jedem Wagen sind mehrere Musiker. Um das Gewicht gering zu halten und den Platz besser zu nutzen sind es meist Kinder und nur 1-2 Erwachsene, die die Lieder und den Takt vorgeben. Die Wagen sind mit Kirschbaumzweigen (allerdings die Plastikversion) geschmückt. An jedem Wagen hängen Laternen, auf denen der Herkuftsort aufgedruckt ist. Die Kanjis kann ich einzeln lesen, aber als ein Wort bzw. Ort? Da fehlt die Praxis.

Hinter der Brücke geht es die Straße bergauf zum Schrein. Die Steigung ist mit etwa 8-10% beachtlich, das Gewicht der Wagen, ich schätze mal so 1,3 Tonnen, auch. Noch während ich Fotos mache, kommt ein „Please help“. Und ehe ich mich versehe stehe ich zwischen den Japanern und ziehe mit. Offensichtlich wird nicht jeder Ausländer gefragt und die meisten ziehen nur ein paar Meter für ein Foto. Nicht mit mir. Die Kamera bleibt am Mann und ich ziehe bis zum Ende der Steigung. Zum Dank gibt es Sake und Bier. Nur ich, nicht die anderen Touristen. Hehe. Man kommt ins Gespräch.

Von hier aus geht es ohne Steigung weiter. Ich nutze die Chance und überhole einige Wagen. Erst kurz vor dem Schrein, auf dem Sandweg, nimmt die Steigung wieder zu. Die letzten 30m sind eine steile Holzrampe. Das ganze sieht gefährlich aus. Erst ein paar Fotos, dann packe ich wieder mit an. Oben angekommen ziehen die Wagen zum Hauptgebäude, hier wird shintoistisch gegrüßt, dann geht es weiter auf den Platz vor dem Gebäude. Es wird immer voller. Ein Wagen nach dem anderen trifft ein. Ein Ablaufplan wäre nett. Was passiert als nächstes?

Delagationen von einem Wagen gehen zu den anderen Wagen, vor denen Leute sitzen. Es wird etwas kompliziert mit Fächer angegrüßt. Der Sinn erschließt sich mir nicht. Ich habe auch keine Zeit nachzudenken. Eine Prozession macht sich bereit. Ich muß mir einen guten Platz für Fotos suchen. Einen regensicheren dazu denn das Wetter schlägt um. Sprühregen. Die Prozession geht zum Seitentor hinaus. Ich sehe Pferde, Fußsoldaten, Priester … Das ganze Programm. Der Anblick läßt einen 200 Jahre zurück reisen. Der Regen wird stärker. Ich folge dem ganzen zu einem anderen Schrein (Namen muß ich noch mal raussuchen). Im Schrein folgt ein Shintoritual. Ich versuche so unaufällig wie möglich zu bleiben. Ich will vermeiden, daß man mir das fotografieren untersagt.

Danach geht es zurück zum Hotel. SD-Karte ist voll, die Batterien leer. Und der Regen fordert seinen Tribut (Kameredisplay und Autofouks sind weg). Nach einer eher kurzen Pause geht es zurück in das Tempelareal. Ein bischen Besichtigung muß auch sein. Beim letzten Mal habe z.B. die drei Affen total übersehen und ich will der schlafenden Katze Hallo sagen. Die Schreingebäude in Nikko sind einmalig. Die Stützbalken sind sehr verspielt aufgebaut und bunt lackiert. Auch sonst gibt es hier eine unglaubliche Detailfülle, wie man sie sonst eher in China erwarten würde. Diesen Baustil findet man nur in Nikko. Zumindest habe ich ihn außerhalb noch nie gesehen. Kein Vergleich zum Schrein in Ise, der im Vergleich zu diesen hier zen-mäßig unterkühlt wirkt.

Nächster Stop ist die Halle des schlafenden Drachen. Die Halle ist eine Meisterleistung der Baukunst. Decke und Boden sind leicht konkav. Wenn man an de richtigen Stelle klatscht, kann man für fast 2 Sekunden ein Echo hören. Bei 5m Deckenhöhe wären das dann 132 Reflexionen. Und das funktioniert nach hunderten von Jahren noch so.

Der Regen wird noch stärker, meine Kamera ist bald wieder am Ende/geflutet. Das Matsuri neigt sich dem Ende. Es geht über die steile Holzrampe abwärts. Nicht ganz ungefährlich; das Holz ist nass und rutschig. So mancher Wagen ist kurz vor „außer Kontrolle“. Unten vor der zweiten Steigung (die runter zur Hauptstraße führt), sammeln sich die Wagen und werden mit Laternen geschmückt. Es ist 18:20 Uhr und es wird dunkel. Die Plastikkirschzweige leuchten in kräftigem rosa. Es regnet immer noch. Die meisten Wagen sind mit Plastikplanen gschützt.

Der Trommler gibt den Takt vor, und die Wagen setzen sich in Bewegung. Shakuhachi, Trommeln, laute Kommandos. So stellt man sich ein Matsuri vor. Es geht im dunklen die steile Straße runter und dann auf der Hauptstraße weiter. Polizisten stoppen den Verkehr. „Samurai“ (ein besserer Name fällt mir nicht ein; er bezieht sich nur auf die Kleidung) mit Laternen gehen voran. Es beginnt der Kampf mit Abstand, Blitzleistung und Bewegung. Wenn ich hieraus drei gute Fotos kriege, würde mir das schon reichen. Ich folge den Wagen durch halb Nikko.

Um 21:15 geht es endgültig zurück ins Hotel. Ich habe genug vom Regen. Die Batterien sind auch schon wieder tot. Für das Resto ist es schon zu spät, aber für mich wird eine Ausnahme gemacht. Ich ordere Karee (wenn man so will das japanische Spaghetti Bolognese) für 2100円. Nobel geht die Welt zu Grunde. Also noch eine kleine Käseplatte vorweg und Kuchen zum Nachtisch; dazu Rotwein. Die Soße für das Karee wird in einer Silberschüssel serviert. Reines Sterlingsilber. Irre schwer. Das Besteck dito. Anschließend geht es in die Hotelbar Dacite; dunkle Hölzer, gedämftes Licht, Kaminfeuer, Ledermöbel und Jazz. Ein Tresen und dahinter Whiskeyflaschen und ein Barkeeper. Es fehlt nur noch der Duft von Pfeifentabak. Die Dekadenz des Abendessen wird hier ihre Fortsetzung finden, bei Yamazaki Whisky, einem Bosten Cooler Cocktail und mal sehen, was noch folgt.

Nachtrag: Es sind so viele Nikko-Bilder. Ich habe die Bilder von meinem Rundgang auf gestern verschoben, da es von der Reise nach Nikko nur 3 gute Bilder gab.

Nikko und ein Regenschirm

Der Wechsel nach Nikko ist geprägt von Zugfahrten: 2 Stunden nach Nagoya, 2 weitere Stunden nach Tokyo, 2 nach Utsunomiya und eine von fort nach Nikko. Ein Sightseeing-Zwischenstop ist da nicht drin. Oder? Da ist ja noch mein Regenschirm in Nagoya.

Ach ja. Hatte ich glaube ich noch nicht erzählt. Hier im Ryokan stehen so kleine Tonfiguren in einer Vitrine. Alle mit spitzem Mund. Es sind Räuchergefäße. Das Geheimnis der Figuren kann ich nicht ganz lösen. Es gibt 100 Stück und es sind Personen der japanischen Geschichte. So viel habe ich raus.

Nach einem ausgiebigem Frühstück und Koffer wieder zusammenpacken geht es los zum Bahnhof. Um 10:30 Uhr gleich der erste Patzer. Die Züge fahren stündlich nach Gifu, außer … Richtig, außer um 10:37 Uhr. Genau dieser Zug fährt als Local nur bis Minaota. Meine Zeitplanung „2+2+2+1“ muß um eine weiter Stunde Wartezeit ergänzt werden.

Was tun? Wir nehmen den Local. Der Express eine Stunde später wird schon aufholen. Nach dem Fahrplan in Minaota auf 11 Minuten. Eine sichere Sache. Und los. 2 Waggons Local, das gleicht eher einem Schienenbus. Außer mir sind 6 Fahrgäste an Board. Gleich am ersten Halt fällt mein Blick auf einen riesigen alten Baum. Ich erfahre, daß das der älteste Kirschbaum Japans ist. Schnell ein Foto. Das hätte ich im Express verpaßt. Weiter geht es im Zuckeltempo.

Kurzer Stop in Minaota. Ich habe mich irgendwo verlesen, denn nach Anzeigentafel habe über 20 Minuten. Zeit für einen Kaffee. Eine Stunde später bin ich in Nagoya. Der halbe Tag ist rum. Ich buche ein Shinkansenticket und eile dann (mit Koffer) zum Hotel, um meinen Regenschirm zu holen. Auf dem Rückweg noch ein Stop bei „Big Camera“ und anschließend die Feststellung, daß ich den Zug verpaßt habe. Habe irgendwie die Ziffern auf den Ticket durcheinander gekriegt. Also: neues Ticket. In Tokyo wird dann der Shinkansen gewechselt (von Grün nach Blau). Stressig wird es in Utsunomiya. 2 Minuten liegen zwischen Ankunft des Shinkansen und Abfahrt der JR Nikko Line; ein Bummelzug, der mich 2004 zur Weißglut getrieben hat. Mit Anlauf und Riesenkoffer. Der Impulserhaltungssatz wäre auf meiner Seite. Geschafft. Es ist bereits dunkel, als ich in Nikko ankomme. Es folgt die letze Etappe; mit dem Taxi zum Hotel.

Ich glaube ich bin hier falsch. 2 Pagen kommen mir entgegen. Einer verschwindet mit meinem Gepäck, der andere eskortiert mich zur Rezeption. Er kurbelt sogar die Drehtür für mich. Im Marco Polo stand zwar was von Luxushotel, aber … Hoffentlich stimmt der Preis aus dem Internet. Ich sehe schon meine Kreditkarten schmelzen. Nach dem Check-in geht es mit Eskorte zum Zimmer. Meine Koffer sind schon da. Das Haus ist eine Mischung aus Japanischen und altem englischen Stil. Eine faszinierende Kombination. Dunkle, alte Hölzer; überall Teppichboden, im Restaurantbereich Parkett. Mein Zimmer ist extrem geräumig, hat zwei englische (= butterweich gefedert) Betten, ein Badezimmer mit Badewanne und eine Minibar. Und es ist die erste Minibar, die ich sehe, die gefüllt ist. Ich entdecke sogar Bier und Whiskey.

Was ich bis jetzt nicht wußte: Das Nikko Kanaya ist das älteste Hotel im westlichen Stil in Japan. Preislich normalerweise bei 200€ plus. Irgendwie bin ich, eher durch Zufall, an ein Zimmer für 134€ gekommen. Der Service ist bis jetzt 5 Sterne superior. Dagegen ist das Radisson ein besseres Hostel.

Da das Resto schon geschlossen hat, suche ich mir eine Kneipe und entdecke mal wieder so ein Fundstück der Woche. Komplett zugerümpelt mit europäischen Kitsch. Der Gesamt- eindruck samt Publikum ist irgendwie „verschroben intellektuell“. Leider gibt es auch hier nichts Eßbares. Also halte ich mich an Hopfenkaltschalen.

Nachtrag: Ich hab heute die Bilder aus Nikko im Prorgamm, da es vom Wechsel selbt keine guten Bilder gab.

Infos zum (zweit?)ältesten Kirschbaum

Takayama und bunte Dämonen

Matsuri-Tag 2. Der Wecker klingelt um 8 Uhr und nach einem ausgedehnten Frühstück starte ich gegen 9:30 uhr zum Platz an der roten Brücke. Hier zeigen drei Festwagen ihre Puppenspiele. Für die Puppen und ihre Bewegung, die über unzählige Seile gesteuert wird, ist die Gegend und das Matsuri in ganz Japan berühmt. Ich konnte die Technik vor zwei Jahren hier im Museum bestaunen (Blog dazu folgt noch). Die Aufführung des ersten Wagen kann ich nicht sehen, aber ich riskiere auf keinen Positionswechsel. Der Platz ist optimal für Wagen 2 und 3.

Dann geht es los. Puppe zwei läuft einen langen Steg entlang, schaut zu beiden Seiten und stellt ein Gefäß ab, das sie trägt. Dann … versagt die Technik. Irgendetwas klemmt. Die Puppenspieler, gekleidet wie Ninjas ganz in Schwarz mit Maske, erscheinen und werkeln. Dann scheint der Fehler behoben. Die Puppe geht rückwärts, schwenkt die Arme, dreht sich, vollführt einen Freudentanz. Die Menge jubelt. Weniger wegen der Puppe selbst, sondern viel mehr, daß der Fehler behoben wurde. Dann springt das Gefäß auf. Konfetti. Ein Dämon erscheint und tanzt. An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, daß der Dämon aus dem Gefäß springt, das eben noch getragen wurde. Nachdem das Gefäß abgestellt wurden, mußten die Puppenspieler also mit mehrer hundert Jahre alter Technik, die Bewegungsverbindung zum Gefäßinneren herstellen. Die ganzen Seile und Stangen dazu laufen in dem Steg, auf dem sich die Puppe bewegt. Die Technik ist echt ausgeklügelt.

Die dritte Puppe erzählt eine andere Geschichte, hat noch mehr technische Finessen. Eine Geisha, die sich in einen Dämon verwandelt. (Nachtrag: Ich habe ein paar Videos bei Youtube gefunden: video1, video2, video3)

Nach der Aufführung laufe ich etwas durch Takayama. Takayama und Mastushima. Zwei Orte, die ganz oben auf jeder Reiseroute liegen sollten. Ich treffe auf die Schweriner von vorgestern. Die waren gestern noch in Matsumoto. Dann wird der Platz gesperrt. Schnell eine gute Fotoposition. Musiker, Samurai, Schreinpriester. Es wird festlich. 3 Drachen führen einen Tanz auf. Soweit ich es verstehe, sollen sie böse Geister vertreiben. Es wirkt ein wenig chinesisch. (Nachtrag: Auch hierzu ein wenig youtube: video1, video2)

Weiter geht es am Schrein neben dem Platz. Ein Mikoshi (tragbarer Schrein) wird hinaus getragen. Von hier startet eine Prozession. Angeführt von zwei Dämonen, einer komplett in rot, der andere in grün. Seedämonen? Es folgen Schreinpriester, Drachen, Trommler, die Samurais, der Mikoshi, weitere Priester und Musiker. Alle ziehen sie von Haus zu Haus, um böse Geiste zu vertreiben (gegen Bares versteht sich). Die Drachen tanzen vor der Tür und stürmen dann durch die Haustür in die 1-2m in die Wohnung. Das soll die bösen Geister zur Hintertür hinaus verjagen. Ich folge dem Treiben für einige Zeit.

Danach geht es ein wenig durch die abgelegenen Straßen von Takayama, hier wo keine Touristen nerven. Ich bin der Prozession lange gefolgt und jetzt außerhalb des Touristen-gebietes. Hier steht auch der Hie Jinja und ich treffe auf das Ende Prozession. Ich bin der einzige Gaijin hier. Es geht die Treppe hinauf. Im Schreinhauptgebäude (Honden) haben sich die Priester und die „Samurai“ versammelt. Ich bleibe respektvoll außerhalb und so gut wie möglich unsichtbar. Blitz aus. Es werden nicht die besten Fotos werden. Ich will aber nicht stören. Hier folgt eine Art Dankesritual. Anders kann ich es nicht beschreiben. Es werden Formulare überreicht und es gibt eine Menge Verbeugungen. Mit meiner Kamera fühle ich mich wie eine Anachronismus. Das ganze Treiber wirkt zeitlich entrückt.

Anschließend geht es zurück zum zentralen Platz an der roten Brücke. Auf dem Weg dahin komme ich an einem Festwagen vorbei, der zurück in seine Lagerhalle geschoben wird. Das Matsuri ist vorbei. Ich werde eingeladen, das innere zu fotografieren und etwas Sake mitzutrinken. Da sagt man nicht nein. Schon vor Stunden ist mein Plan für den Tag ungültig geworden. Ich treibe von einer einmaligen Situation in die nächste bis es anfängt zu dämmern. Für mich heißt das Abendessen. Anschließend laufe ich noch ein wenig durch Takayama und versuche die Eindrücke zu verarbeiten. Der Tag endet gegen 22 Uhr im Onsen mit der Erkenntnis, daß das einfach zu viele Eindrücke waren. (Und auch zu viele Fotos; knapp 1800 Stück in 2 Tagen). Morgen gibt es eine kleine Verschnaufpause. Ich wechsele nach Nikko, wo das nächste Matsuri auf mich wartet.

Takayama Matsuri und ein Steak

Einen Vorteil hat das Ryokan Asunaro. Frühstück um 8 Uhr zwingt einen zum zeitigen Aufstehen. Das Frühstück ist 100% japanisch. Und ich bleibe dabei. Fisch zum Frühstück schlägt nie im Leben Toast und Kaffeel. Dann stürze ich mich in das Matsuri-Getümmel. Leider habe keinen Plan was wann wo stattfindet. Und so laufe ich erst einmal durch die Straßen mit den alten Häusern. An der ersten Brücke (auf der Karte ganz rechts) scheint sich alles abzuspielen. In den angrenzenden Straße stehen die Festwagen. Zusammen mit den alten Häusern im Hintergrund sind das Motive für Postkarten; wenn man nur die ganzen Touries ausblenden könnte. Aber auch mit Touries finde ich ein Motiv nach dem anderen. Wenn das so weiter geht, ist die SD-Karte bis zum Mittag randvoll. Das Wetter macht auch mit. Es ist strahlend blauer Himmel. Etwas so viel Kontrastumfang für den CMOS-Sensor, aber für mich ideal. So sollte Urlaub sein. Der Regen von gestern ist vergessen.

Die Zeit vergeht wie im Fluge. Um 14 Uhr steuere ich das französische Restaurant an. Ich muß mich resetten. Die ersten 5 Stunden des heutigen Tages sind kurz vor der visuellen Überdosis. Die Eindrücke sind einfach umwerfend. Ich brauche eine Pause. Daß ich das Resto nicht gleich gefunden habe, liegt daran, daß der Efeu an der Hauswand weg ist. Die Karte ist noch die gleiche wie vor zwei Jahren – unlesbar, da in Kanji und in Französisch. Das Interieur ist auch noch wie vor zwei Jahren. Nur der Koch ist neu. Ich bestelle Steak vom Hida-Rind inkl. Vorspeise, dazu eine Karaffe Rotwein und zum Nachtisch Windbeutel mit Vanilleeis und Schokosoße. Die Anrichtung der Steaks alleine ist ein Meisterwerk. Man will es nicht essen, sondern bewundern und fotografieren (habe ich auch gemacht). Der Geschmack sucht seinesgleichen. So ein saftiges und leckeres Steak habe ich vorher noch nie gegessen. Das Geheimnis ist die Struktur des Fleisches. Das Steak ist durchzogen von dünnen Fettsträhnen, die das Fleisch wie Bienenwaben umschließen. Das zweite Geheimnis ist die Kombination von Gewürzen und Zubereitung nach westlicher und nach japanischer Tradition. „Fusion“ nennt man das wohl. Und Koberind soll noch besser sein. Ist das überhaupt noch möglich?

Draußen passiert was. Ich höre Shakuhachi und trommeln. Touristen sammeln sich. Ich werde nervös, will doch nichts wichtiges verpassen. Aber den Nachtisch genieße ich noch bis zum letzten Biß. Dann schnell bezahlen; Kreditkarte; Rechnung bitte so, daß ich die Summe nicht sehe; unterschreiben und raus. Ich will den Preis jetzt nicht wissen. Ich vermute mal alles zusammen knapp 70 Euro.

Vor die Tür. Was ist los? Hier zieht gerade eine Parade/Prozession vorbei. Es ist alles da, was den Japanfan glücklich macht: Leute im Samuraioutfit, Shintopriester, Musiker, Schreinmädchen, tragbare Scheine. Fotos, Fotos, Fotos. Ich kann (keine Ahnung wie) einen Platz in der ersten Reihe erkämpfen. Eine nicht enden wollende Karawane, die jetzt durch ganz Takayama zieht (und ich mit der Linse fast mittendrin). Vielleicht finde ich noch ein paar gute Motive.

Standortwechsel, aber keine Hektik. Nicht die Atmosphäre zerstören, die sich hier gerade ausbreitet. Ich schlendere durch die Straßen mit den alten Häusern. Jeder zweite Laden verkauft hier Sachen aus Holz. Für die Lackiertechnik ist die Region berühmt: dünn und durchsichtig. Man achtet darauf, daß die Struktur des Holzes nicht überdeckt wird. Dann treffe ich wieder auf die Parade.

So geht es bis zur nächsten Unterbrechung um 19 Uhr. Abendessen im Ryokan. Danach geht es zurück ins bunte Treiben. Es ist bereits dunkel. Die Festwagen sind mit unzähligen Laternen geschmückt und fahren durch die Straßen. Ich hätte nicht gedacht, das man das, was ich hier am Tag an Motiven und Eindrücken (Erinnerungen) genossen habe noch toppen kann: das gelbe Licht der Laternen, die roten Lackierungen der Wagen, im Hintergrund die dunklen Häuser und Straßen in der Nacht; dazu hört man von überall Trommeln, Shakuhaichi und Koto spielen. Man kann fast sagen, daß das hier ein live gewordenes Klischee vom alten Japan ist.

Fotografisch ist das ganze eher ein Alptraum. Kein Stativ, der Blitz ist zu hell oder zu dunkel die Wagen ständig in Bewegung. Und überall diese nervigen Touristen. Ich komme mit einer Festwagentruppe ins Gspräch. Kann den Wagen vorsichtig von innen besichtigen und beim rangieren helfen. Was ich nciht wußte. Die Reifen sind starr auf der Achse und nicht lenkbar. Kurvenfahrten sind also nur mit extrem viel Kraftaufwand möglich. Um 21:30 endet das Ganze ziemlich abrupt. Der Festwagen wird in seine Gerage gefahren, das Tor verriegelt. Zum Abschluß gibt es noch eine Runde Sake. Schluß für heute. (Nachtrag: Hier ein wenig youtube dazu: video1, video2, video3)

Ich steuere mit ein paar Touris aus Schweden und der Schweiz noch eine Kneipe an, um den Tag Revue passieren zu lassen. Kurz vor Mitternacht geht es zurück ins Ryokan. Sperrstunde. Damit ist dieser Tag vorbei und hat definitiv einen Platz in den Top5 dieser Reise. Das heute kann man nicht mehr toppen.