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Schreinfest am Hiekawajinja (Circlepit mit TaiChi)

Heute ist der vorletzte Tag. Morgenabend startet der Flieger zurück in die Arbeitswelt.  Nach dem Frühstück geht es los Richtung Shinjuku. Statt der Yamanote nehme ich die Marunouchi Line ab Ochanomizu. Das spart 20 Minuten Fahrzeit, wenn man nicht seine Suica vergißt und vom Bahnnhof noch einmal zurück zum Hotel stiefelt. In Shinjuku das gewohnte Chaos aus den Bahnhöfen von drei Bahnlinien, zugehörigen Shoppingcentern, Bürogebäuden und den unterirdischen Verbindungen. Gar nicht so einfach hier den Überblick zu wahren.

Straßenfest

Ich mache eine falsche Drehung, stehe mitten im Tobu-Depato und brauche 15 Minuten, bis ich einen bekannten Ort finde, der mir die Orientierung zurückgibt. Jetzt schnell Souveniers kaufen und zu Pentax. Das „schnell“ streichen wir gleich wieder, denn ich finde nicht, was ich suche. Pentax hingegen war ein gute Idee. Diagnose: Autofokussystem und CCD-Chip sind komplett dejustiert, was die Probleme während des Urlaubs erklärt. Die Reparatur würde über 2 Stunden dauern, die ich nicht habe, denn ich will weiter zum Straßenfest (Fortsetzung von gestern).

Da ich die Karte mit der Marschroute fotografiert hatte, finde ich die „Prozession“ schnell, die vor 1 Stunde gestartet ist. Ich werde wiedererkannt und herzlichst begrüßt (hatte wohl keiner damit gerechnet, daß ich vorbeischaue). Der Zug ist relativ klein. Heute sind die Kinder dabei einen Wagen mit Trommel zu ziehen, ein kleiner tragbarer Schrein folgt. Unterstützt werden die kleinen natürlich von den Erwachsenen, die auch die Straße sperren (mitten in Tokyo). Ich bleibe wieder länger als geplant. Es ist einfach so anders als die anderen Feste. Es ist klein und hat eine Menge Lokalkolorit. Es schwebt nicht dieses „für Touristen optimiert“ in der Luft. Es wirkt authentisch und fasziniert.

Schreinfest Hikawajinja

Um 17 Uhr wechsel ich dann zum Hikawajinja ein. Die Prozession hier ist gerade zu Ende. Ich schaffe es noch, die Festwagen zu fotografieren, dann geht es zum Schrein. Hier erinnert alles an die Vorstellung, die man sich von japanischen Schreinfesten macht (in meinem Fall von diversen Anime geprägt): Lichterketten, traditionelle Musik, Lagerfeuer vor den Stufen zum Schrein, das Zirpen der Grillen, Leute in Kimono und Yukata, kleine Verkaufsstände mit Okonomiyaki und Yakitori. Sogar einer von diesen Ständen ist da, an denen man mit einen kleinen Papierkescher Zierfische angeln kann. Da es mittlerweile dunkel ist, ist die Atmosphäre unglaublich. Nach diesem Gesamteindruck sucht jeder, der nach Japan reist. Umso erstaunlicher, daß der Schrein nicht von Touristen überrannt ist. (Das Fest steht halt nicht im Reiseführer.)

Auch hier ist Bon-Tanz angesagt; aber im großen Stil. Gestern tanzten 15 Leute. Hier sind es über 100, die um die Bühne mit der Trommel schreiten. Ich habe die Tanzschritte und -bewegungen nicht ganz raus. Zusammengefaßt ist es eine Mischung aus Circlepit und TaiChi. Um das Tanzareal die Verkaufsbuden. Der Schrein selbst mit Laternen schön ausgeleuchtet. Alles in allem ein Bilderbuch-Schreinfest. Ich genieße es. Die Zeit vergeht wie im Fluge und um 21 Uhr ist abrupt Schluß. Auch das ist Japan.

Mori Tower – Roppongi Hill

Da der restliche Abend genutzt werden will, starte ich Richtung Roppongi, das nur etwa 15 Fußminuten entfernt ist. Wenn ich schon mein Stativ dabei habe, dann ist der Mori Tower Pflicht und so beende ich diesen Tag im 54 Stock mit Weitblick auf Tokyo.


Nachtrag: Zwischen Straßenfest und Hikawa war ich noch kurz bei der Baustelle des neuen Funkturms (dem Tokyo Sky Tree). Nach Aushang haben sie 461m erreicht. Die endgültige Höhe soll 634m werden. 6 (mu), 3 (sa), 4 (shi) = „Musashi“, einen alten Namen für die Gegend, in der der Tokyo Sky Tree steht. Das Ding ist der Kracher. Wie ich die Japaner kenne mit Aussichtsplatform. In zwei Jahren weiß ich mehr…


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Takayama und bunte Dämonen

Matsuri-Tag 2. Der Wecker klingelt um 8 Uhr und nach einem ausgedehnten Frühstück starte ich gegen 9:30 uhr zum Platz an der roten Brücke. Hier zeigen drei Festwagen ihre Puppenspiele. Für die Puppen und ihre Bewegung, die über unzählige Seile gesteuert wird, ist die Gegend und das Matsuri in ganz Japan berühmt. Ich konnte die Technik vor zwei Jahren hier im Museum bestaunen (Blog dazu folgt noch). Die Aufführung des ersten Wagen kann ich nicht sehen, aber ich riskiere auf keinen Positionswechsel. Der Platz ist optimal für Wagen 2 und 3.

Dann geht es los. Puppe zwei läuft einen langen Steg entlang, schaut zu beiden Seiten und stellt ein Gefäß ab, das sie trägt. Dann … versagt die Technik. Irgendetwas klemmt. Die Puppenspieler, gekleidet wie Ninjas ganz in Schwarz mit Maske, erscheinen und werkeln. Dann scheint der Fehler behoben. Die Puppe geht rückwärts, schwenkt die Arme, dreht sich, vollführt einen Freudentanz. Die Menge jubelt. Weniger wegen der Puppe selbst, sondern viel mehr, daß der Fehler behoben wurde. Dann springt das Gefäß auf. Konfetti. Ein Dämon erscheint und tanzt. An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, daß der Dämon aus dem Gefäß springt, das eben noch getragen wurde. Nachdem das Gefäß abgestellt wurden, mußten die Puppenspieler also mit mehrer hundert Jahre alter Technik, die Bewegungsverbindung zum Gefäßinneren herstellen. Die ganzen Seile und Stangen dazu laufen in dem Steg, auf dem sich die Puppe bewegt. Die Technik ist echt ausgeklügelt.

Die dritte Puppe erzählt eine andere Geschichte, hat noch mehr technische Finessen. Eine Geisha, die sich in einen Dämon verwandelt. (Nachtrag: Ich habe ein paar Videos bei Youtube gefunden: video1, video2, video3)

Nach der Aufführung laufe ich etwas durch Takayama. Takayama und Mastushima. Zwei Orte, die ganz oben auf jeder Reiseroute liegen sollten. Ich treffe auf die Schweriner von vorgestern. Die waren gestern noch in Matsumoto. Dann wird der Platz gesperrt. Schnell eine gute Fotoposition. Musiker, Samurai, Schreinpriester. Es wird festlich. 3 Drachen führen einen Tanz auf. Soweit ich es verstehe, sollen sie böse Geister vertreiben. Es wirkt ein wenig chinesisch. (Nachtrag: Auch hierzu ein wenig youtube: video1, video2)

Weiter geht es am Schrein neben dem Platz. Ein Mikoshi (tragbarer Schrein) wird hinaus getragen. Von hier startet eine Prozession. Angeführt von zwei Dämonen, einer komplett in rot, der andere in grün. Seedämonen? Es folgen Schreinpriester, Drachen, Trommler, die Samurais, der Mikoshi, weitere Priester und Musiker. Alle ziehen sie von Haus zu Haus, um böse Geiste zu vertreiben (gegen Bares versteht sich). Die Drachen tanzen vor der Tür und stürmen dann durch die Haustür in die 1-2m in die Wohnung. Das soll die bösen Geister zur Hintertür hinaus verjagen. Ich folge dem Treiben für einige Zeit.

Danach geht es ein wenig durch die abgelegenen Straßen von Takayama, hier wo keine Touristen nerven. Ich bin der Prozession lange gefolgt und jetzt außerhalb des Touristen-gebietes. Hier steht auch der Hie Jinja und ich treffe auf das Ende Prozession. Ich bin der einzige Gaijin hier. Es geht die Treppe hinauf. Im Schreinhauptgebäude (Honden) haben sich die Priester und die „Samurai“ versammelt. Ich bleibe respektvoll außerhalb und so gut wie möglich unsichtbar. Blitz aus. Es werden nicht die besten Fotos werden. Ich will aber nicht stören. Hier folgt eine Art Dankesritual. Anders kann ich es nicht beschreiben. Es werden Formulare überreicht und es gibt eine Menge Verbeugungen. Mit meiner Kamera fühle ich mich wie eine Anachronismus. Das ganze Treiber wirkt zeitlich entrückt.

Anschließend geht es zurück zum zentralen Platz an der roten Brücke. Auf dem Weg dahin komme ich an einem Festwagen vorbei, der zurück in seine Lagerhalle geschoben wird. Das Matsuri ist vorbei. Ich werde eingeladen, das innere zu fotografieren und etwas Sake mitzutrinken. Da sagt man nicht nein. Schon vor Stunden ist mein Plan für den Tag ungültig geworden. Ich treibe von einer einmaligen Situation in die nächste bis es anfängt zu dämmern. Für mich heißt das Abendessen. Anschließend laufe ich noch ein wenig durch Takayama und versuche die Eindrücke zu verarbeiten. Der Tag endet gegen 22 Uhr im Onsen mit der Erkenntnis, daß das einfach zu viele Eindrücke waren. (Und auch zu viele Fotos; knapp 1800 Stück in 2 Tagen). Morgen gibt es eine kleine Verschnaufpause. Ich wechsele nach Nikko, wo das nächste Matsuri auf mich wartet.