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Takamatsu; Zugfahrt

Der letzte volle Tag in Japan ist angebrochen. Morgen geht der Flieger nach Deutschland. Nach endlosem „Alles wieder in den Koffer quetschen aus dem es ursprünglich kam“ nehme ich ein Taxi zum Bahnhof. Das nenne ich blödes Timing. Der Express ist gerade weg. Der nächste fährt in einer Stunde. Ein Local kommt nicht in Frage. Seit Bando gilt „Fear the WanMan“.

Der Express braucht 3 Stunden bis Takamatsu. Dort angekommen suche ich einen Coin Locker. Alle belegt, aber es gibt eine Gepäckaufbewahrung. Etwas teurer, aber egal.

Das erste was mir auffällt sind die Flaggen auf dem Platz vor dem Bahnhof.  Ist das nicht Ingress? Die Frage beantwortet sich von selbst, als eine Truppe Japaner, die offensicht dem Widerstand angehören, über den Platz laufen. Heute scheint ein Turnier zu laufen.

Da ich kein Handy dabei habe und mich die Roamingkosten eh umbringen würden, bleibe ich bei meinem Touristenplan. Erster Stop sind die Ruinen der Burg von Takamatsu. Die Mauern stehen noch und ein Eckturm. Der Rest ist ein netter kleiner Park. Und überall Japaner die aufs Handy starren. Ich vermute 80% Ingress, 19% Pokemon und 1% typisches japanisches Verhalten.

Durch die Einkaufsstraße geht es richtig Süden. Überall Menschen, die auf Handys starren. Und die ohne Handy können keine gerade Linie laufen. Was ist das mit Japanern? Die machen mehr spontane Spurwechsel als einer polnischer LKW-Fahrer.

Mt. Yashima ist etwas zu weit weg, also bleibt für heute nur noch Ritsurin Koen, der – so betont es der Reiseführer – nicht zu den 3 „most beautiful gardens“ gehört. Der Garten ist groß und der Garten hat definitiv ein paar schöne Szenen, aber an Kanazawa und Okayama kommt er nicht ran. Gut, Mito steckt er locker in die Tasche.

Auf dem langen Weg zurück zum Bahnhof stoppe ich für Sanuki Udon, eine Spezialität aus der Kagawa-Region. Hinweis: Sanuki verweist zum einen auf die Nudeln aus speziellem lokalem Weizen, als auch die in den Udonläden gepflegte Art der Selbstbedienung.

Theoretisch hätte ich noch etwas mehr als eine Stunde, wenn ich auf den letztmöglichen Zug pokere. Lieber nicht. Ich schnappe meine Koffer und buche den 17:10 Uhr Zug nach Okayama. Der Sitz im Shinkansen ist ebenfalls reserviert.

Der Zug rollt. Ich habe ein paar Minuten bis es über die Seto-Ohashi geht. Da kommt Sie in Sicht und dichter. Ok, brechen wir es runter: Im Prinzip ist es nichts anderes als ein 13 km langes Brückensystem. Ich bin 2004 zum ersten Mal über die Brücke gefahren. Herje, das ist 12 Jahre her.

Bei der Ankunft in Okayama wird es bereits dunkel. Es folgt der Abschnitt der der einzige Grund ist, warum sich der JRP auf dieser Reise überhaupt lohnt: der Shinkansen bis Tokyo, also Shinagawa. Ich musste gestern noch schnell ein Hotel buchen. Ich habe eines in Shinagawa gewählt. Hier hält der Shinkansen und morgen der Zug nach Haneda. Es gibt keinen Grund bis rein nach Tokyo zu fahren.

Der Shinkansen braucht 4 Stunden. Warum nicht genießen. Vorbei an Himeji. Die Burg ist hell erleuchtet. Dann kommt Kobe. Wir schwenken nach Shin-Osaka ein. Die Skyline von Umeda ist sichtbar. Am Horizont versuche ich Haruka300 zu finden. Eine halbe Stunde später sind wir in Kyoto. Dann verschwinden die Lichter der großen Städte. Fahrt durch die Nacht. Wir erreichen Nagoya. Die Hälfte der Shinkanstrecke ist geschafft.

 Es folgen Städte wo ich noch nie war: Hamamatsu und Shizuoka. Hm. Auf diesem Abschnitt bin ich 2014 sogar mit dem Nozomi gefahren. Shin-Yokohama. Hier war ich vor wenigen Wochen. Der nächste Stop ist dann schon Shinagawa. Auf den verbleibenden 19km lohnt sich das Beschleunigen kaum.

22:33 Uhr. Shinagawa. Mein JRP ist noch 1 Stunde und 27 Minunten gültig. Ich könnte nach dem Check-in noch mal nach Tokyo reinfahren. Aber dann müsste ich ein Auge auf den letzten Zug werfen. Ich bin raus aus dem Rennen.

Erkenntnis des Tages: Die Generation „Kopf unten“ exisitert wirklich; Dank Ingress und Pokemon.

Uchiko; Ozu

Dogo als Basis für Tagesausflüge hat einen Nachteil: Man muss erst quer durch Matsuyama, um den Zug zu kriegen. Das meint einen Vorlauf von mindestens 1 Stunde ab Ryokan.

Zum Glück fährt gleich ein Ltd. Express. Das halbiert die Fahrzeit auf unter eine halbe Stunde. In Uchiko habe ich entweder 2,5 oder 3,5 Stunden. Auf geht es. Erster Stop wird das Uchiko-za. Ein altes Kabuki-Theater wie in Kotohira. Dann geht es weiter zur ehemaligen Apotheke.

Ich liege gut in der Zeit. Es geht die Hauptstraße weiter entlang. Endlich; der Anfang der Straße mit den historischen Häusern. Der optische Eindruck von Uchiko bis hierher war doch eher ernüchternd. Obwohl mir die schwarz-rot-goldenen Werbebanner für ein Bierfest aufgefallen sind.

Viel los ist nicht in der Straße. Ein paar Geschäfte haben geöffnet. Irgendwie hatte ich mehr Touristen erwartet. Aber wer verirrt sich schon nach Shikoku? Der Straßenzug ist wirklich hübsch. Es geht vorbei an der Honhaga Residenz und der Omura Residenz. Am Ende gibt es eine kleine Brücke. Dahinter befindet sich der Koshoji mit seiner großen, liegenden Buddha-Statue.

So langsam sollte ich an den Rückweg denken. Nicht jedoch ohne einen Stop in der Kamihaga Residenz mit dem Wachsmuseum. Die Region erlangte durch die Herstellung von Wachs an Ansehen und Wohlstand (Die Zeiten sind lange her).

Jetzt muss ich mich beeilen. Etwa 2km Fußweg und 30 Minuten bis zur Abfahrt. Obwohl; das Timing ist erstaundlich gut. Ich gehe zügig aber nicht gehetzt und am Bahnhof habe ich 8 Minute bis zur Abfahrt.

Iyo-Ozu

Die Stadt ist auf den ersten Blick viel großer als Uchiko. Nach Karte sind es einige Kilometer bis zur Burg. Die Wahl fällt deshalb auf ein Taxi, das mich direkt bis zum Eingang fährt.

Ozu Castle ist klein und neu. Der Hauptturm und die beiden Wachtürme wurden erst 2004 neu aufgebaut. Anders andere Rekonstruktionen wurde alles mit traditioneller Zimmermannstechnik aus Holz aufgebaut. Es macht Spaß durch die kleine Anlage zu laufen und zu sehen, wie die Holzbalken nur mit Holzstiften verbunden wurden.

Von der Burg geht es zu Fuß quer durch die alten Straßen von Ozu. Die Altstadt wird zwar im Reiseführer erwähnt, aber ein Eyecatcher ist sie aus meiner Sicht nicht. Ziel ist die Villa Garyo Sanso.

Die Villa hat ein paar beeindruckende Features. Fotos im Haus sind nicht gestattet. Dafür aber vom Garten. Es ist kein aufgeräumter Zen-Garten. Die japanische Äesthetik ist hier im Detail: eine einzelne Blüte im quadratischen Loch eines Mühlsteins, die Teeehütte, die Steinlaterne.

Fast pünktlich um 17 Uhr bin ich mit der Besichtigung durch. Ich habe ein paar Japaner getroffen. Einer sagt mir, dass er mich schon an der Burg gesehen hat. Ich hätte meinen Regenschirm auffällig getragen. Er hat recht. Ich habe die Angewohnheit, Regenschirme und Co wie ein Bokken/Shinai zu tragen. Ich habe nie viel darüber nachgedacht. Es ist aber klar, dass so etwas in Japan auffällt.

Zurück zum Bahnhof laufe ich zu Fuß. Erst an der alten Stadtmauer entlang, dann über die Brücke und dann direkt zum Bahnhof. Meine Hoffnung war es, eine Resto oder ein Izakaya zu finden. Die Hoffnung bleibt unerfüllt. Ich kaufe daher etwas Proviant im Supermarkt. Die Straßen zeigen ein nüchternes Bild des aktuellen Japan. Viel Leerstand. Viele alte Häuser in schlechtem Zustand. Nicht nur Naruko im letzten Jahr, überall in Japan gibt es Beweise für Verfall.

Dogo Onsen

 Zurück in Dogo Onsen ist es wieder Yukata-Zeit. Heute besuche ich erst das Sento, dann geht weiter zum Honkan. Für heute habe ich mir Stufe 2 vorgenommen. Leider ist diese Etage ausverkauft. Somit buche ich die Luxusversion in Etage 3. Einzelumkleidezimmer mit Tee und japanischen Gebäck. Die erste Baderunde ist in einem anderen Bad als gestern. Das Wasser ist genauso heiß, aber ich habe es für mich alleine.

Nach einer halben Stunde von Ruhe und Entspannung gehe ich für eine Pause zurück in meinen privaten Raum. Von hier habe ich einen Blick auf die Straße vor dem Honkan. So läßt sich der Abend geneißen.

Es folgt eine Führung durch die inneren Räumlichkeiten. Es gibt sogar ein Bad, das nur für den Kaiser gebaut wurde und bis heute für ihn reserviert ist; dazu kaiserliche Gemächer mit einem eigenen Eingang.

Baderunde 2 ist ein Bad im Bad von gestern; nur mit dem Unterschied, dass ich die Treppe im hinteren Bereich benutzen darf. Alles in allem ist es teuer und es gibt ein Zeitlimit, aber die Zeit ist allemal ausreichend und das Erlebnis ist jeden Yen wert.

Erkenntnis des Tages: Die Resto- und Kombini-Dichte auf Shikoku ist nicht sehr hoch.


Nachtrag: Das Video rechts ist von „Only in Japan“. Er bekam eine spezielle Erlaubnis in dem Onsen zu drehen. Für mich ideal, da ich euch auf diesem Weg das innere zeigen kann.

Matsuyama; Dogo Onsen

Der Tag beginnt mit Regen. Ich verlasse das Ryokan und gehe rechts rum (links rum ist der Weg über die Pink Street). Am Sento vorbei geht es zuerst zum Dogo Onsen Honkan. Ich war hier gestern Abend schon. Der Bau ist beeindruckend. Verwinkelt und urjapanisch. Ich kann es kaum erwarten, heute Abend das Innere zu erkunden.

Dann geht es zur Bahnstation. Die Lokomotive ist von der Firma Krauss aus Deutschland. Das Gebäude ist viktorianisch. Der gesamte Anblick ist ein Postkartenmotiv. Mir gefällt es hier. Dogo Onsen, soweit ich es bis hier erkundet habe, macht einen runden Eindruck.

Beim Rundgang durch den Park lässt der Regen langsam nach. Der Park ist jetzt allerdings nicht der Burner. Schnell die Kurve zum Schrein. Es geht vorsichtig die steilen Stufen zum Isaniwa Schrein hinauf. Auf der letzten Stufe stolpern wäre echt blöd. Oben laufen die Vorbereitungen für eine Hochzeit. Die haben sich echt gutes Wetter ausgesucht.

Auf dem Weg zum Tempel Nr. 51 (Ishiteji) hört der Regen endlich auf. Ohne Karte weiß ich allerdings nicht, wo genau der Tempel ist. Ich verlasse mich auf mein Glück. Dann sehe ich ein Schild. Ich folge dem Pfeil und lande in einer kleinen Straße am Rande der Bebauung. Ein Bambushain. Nach etwa 150m gabelt sich der Weg. Links stehen kleine Buddha-Statuen. Ich glaube ich bin richtig.

Der Tempel ist klein und etwas rumpelig. Er wirkt, als hätte jemand einen Stapel alter Reliqiuen zusammengesammelt, um nen schnellen Yen zu machen. Ganz ehrlich. Hätte der Tempel keine Nummer, würde man ihn im Reiseführer vergeblich suchen. Den Tunnel zum innerern Tempel finde ich nicht, gut ich habe auch nicht speziell danach gesucht.

Matsuyama

Ich fahre mit der Tram in die Innenstadt von Matsuyama. In der Straße zur Seilbahn, die hinauf zur Burg führt, stoppe ich für Okonomiyaki. Bei dem ganzen Ramen und Yatai kam das bisher zu kurz.

Die Burg von Matsuyama ist ein großer Komplex und gibt einige gute Fotomotive. Von der Burg hat man Überblick über die gesamte Stadt; bis hin zur Küste. Von der Burg führt ein Weg hinunter zum Nihonmaru Garten. Ein Park auf dem Gelände, wo die ehemalige feudale Residenz stand. Eine Besonderheit des Parkes ist, dass die Wege dem Grundriss der Residenz entsprechen. Die Betonplatten habe in etwas die Größe einer Tatami. Das im Hinterkopf macht einem schnell deutlich, wie groß diese Residenz war.

Es folgt ein Fußmarsch zur JR Bahnstation. Ich checke die Bahnverbindungen nach Ozu und Uchiko für morgen. Zudem erfahre ich, dass der Nachtzug nach Tokyo ausgebucht ist. Ich muss umplanen und noch ein Hotel in Tokyo buchen. Ein großes Problem ist es nicht.

Die Tramfahrt zurück nach Dogo dauert knapp 35 Minuten. Nach einer kurzen Pause und einem heißem Bad im Ryokan bleibt genug vom Abend, um das Dogo Onsen Honkan zu besuchen. In Yukata geht es hinab zur Shopping-Straße und zum Onsen. Bei Nacht ist das Gebäude noch imposanter als bei Tageslicht.

Zum Einstieg wähle ich Stufe 1; die unterste. Damit hat man Zugang zum Hauptbadebecken. Man betritt das Gebäude, lässt die Schuhe im Schließfach und geht in die Umkleide. Alles wie in jedem anderen Onsen auch. Das Becken ist groß. Das Wasser kommt aus einer Steinsäule in der Mitte. Das Wasser ist verdammt heiß. Ohne eine kühlende Brise kommt man Kreislauf schnell an seine Grenze.

Ich verlasse diese heiligen Hallen und bin ganz Tourist. In Yukata geht es durch die Einkaufsstraße. Es gibt hier sogar eine lokale Biersorte: Dogo Beer. Und nur in Japan ist möglich, dass die Biersorten Kölsch und Alt friedlich im Regel nebeneinander stehen. (Die Dritte Biersorte ist übrigens ein Stout).

Um 22 Uhr schließen die Geschäfte. Es klingt früh, aber die Uhren in Japan laufen anders und in Onsen-Orten sowieso. Was mir auffällt: Es gibt hier keine brauchbares Izakaya; zumindest habe ich keines gefunden. Aber der Lawson hat Dogo Beer, das reicht.

Ach ja, ich habe gestern eine Katze gesehen, die es sich auf dem Sitz eines Motorrollers bequem gemacht hat. Die Katze ist heute wieder da. Es sieht fast so aus, als wäre es ihr Motorroller. Die Katze ist eine lokale Berühmtheit scheint es. Nach dem Honkan mit Sicherheit das am häufigsten fotografierte Objekt hier in Dogo.


Nachtrag: Das Video rechts ist von „Only in Japan“. Er bekam eine spezielle Erlaubnis in dem Onsen zu drehen. Für mich ideal, da ich euch auf diesem Weg das innere zeigen kann.

Iyatal; Wanderung

Nach einem weiteren japanischem Frühstück folgt der Check-out. Am Bahnhof werden die Koffer im Coin-Locker deponiert. Ein Express nach irgendwo hinter Kochi bringt mich schnell nach Süden zum Eingang ins Iyatal.

Hier ist Endstation. Die Touristeninfo ist heute geschlossen. Ich habe keinen Plan, wie ich vom Bahnhof irgendwohin komme. Ich war durch den Reiseführer vorgewarnt, dass man ohne Mietwagen aufgeschmissen ist. Bis zur Kazurabashi sind es über 10 km über eine Passstraße. Busverbindungen sind so gut nicht vorhanden. Der nächste Bus beispielsweise fährt erst in einer Stunde.

Ein Anwohner (?) sagt mir, dass es mit dem Taxi etwa 3500yen sind. Das halbiert meine Bargeldreserven, aber egal. Es geht mehrere hundert Höhenmeter hinauf und dann wieder bergab. Der Taxifahrer fährt mich direkt zum Eingang zur Brücke. Die Busstation ist eine paar Serpentinen nach oben.

Die Brücke ist aus Ästen geflochten. Der Weg besteht nur aus kleinen etwa 10cm dicken Kanthölzern. Der Abstand dazwischen ist groß genug, dass man zwar nicht durchfallen kann, aber zumindest das Bein komplett hindurch passt. Die Brücke schwankt und knirscht. Durch den Regen von gestern ist alles rutschig. Das ideale Rezept für Adrenalin. Vor mir ist ein Stapel Chinesen. Viele schaffen es kaum bis zur Mitte.

Eine Hand für die Kamera, eine fürs Geländer. Ich bleibe locker auf der Brücke, aber bleibt die Brücke unter mir? Das Schwanken in alle Freiheitsgraden für dazu dass man nicht immer  den Fuß dahin setzt wohin man geplant hat. Für Fotos muss ich das Geländer loslassen. Um die Chinesen zu überholen ebenfalls. Das ist wie ein Drahtseilakt. Schritt für Schritt. Geschafft. Das war ein Erlebnis.

Auf der anderen Brückenseite gibt es ein kleines Resto und einen Wasserfall. Es fängt an zu regnen. Zeit für Udon. Nach meiner Kalkulation müsste gleich der Bus kommen; der vom Bahnhof; hatte ja eine Stunde Vorsprung. Aber wo ist die Haltestelle? Ich finde nur ein Schild in die andere Fahrtrichtung. Ich laufe die Häuser rauf und runter. Viele sind es nicht. Aber keine zweites Halteschild. Wieder runter zur Brücke. Ja, die Haltestelle ist oben. OK. wieder rauf. Ich bin gefrustet.

Wie sich herausstellt ist das Schild für beide Richtungen. Und ich glaube der Busfahrer hätte auch so auf mein Winken hin gestoppt. Die Straße folgt dem Flusslauf und ist sehr schmal. Bei Gegenverkehr muss aufwendig rangiert werden.

Ich steige ein paar Kilometer tiefer im Iyatal wieder aus. Hier soll es ein altes Haus geben. Keine Ahnung was mich erwartet. Einfach zwei, drei Stunden wandern. Zur Sicherheit ein Foto vom Busplan. Ziel ist der Bus um 15:30. Ein Stunde später gibt ein Backup. Allerdings werde ich dann wohl sehr sehr spät in Matsuyama ankommen.

Der Weg führt  bergauf. Sonnenschein. Das wird schweißtreibend. Ich habe nur eine grobe Entfernungsangabe und keine Karte. Ich beginne bei 460 Höhenmetern. Die Straße ist schmal. Ich bin irgendwo im Nichts mitten in Japan. Bergauf und bergauf. Ich laufe erst eine halbe Stunde. Es fühlt sich länger an. 600 Höhenmeter. Hier steht das Haus. Keiner da. Hm. Nicht mein Tag. Weiter bergauf zum Chairo, was auch immer das ist.

Auf Höhenmeter 720 das Ziel. Das wäre dann im Schnitt eine 5%-Steigung gewesen. Nicht viel. Aber das Wetter ist eine Faktor, der zu berücksichtigen ist. Und ich habe keinen Proviant (Wasser) mehr.

Wie sich herausstellt ist das Chairo eine Herberge für Wanderer. Der Hausbetreuer zeigt mir, auch wenn ich kein Gast bin, das innere. Wow. Ein traditionelles Haus mit Reetdach. Hier zu übernachten muss genauso cool sein wie in Shirakawa. Nach ein paar Fotos fährt mich der Hausbetreuer hinab zur Weggabelung, wo man aus seiner Sicht sehr leicht falsch abbiegen kann. Er nennt mir auch das Geheimnis hinter den ganzen Häusern aus Blech, die hier stehen: Die Instandhaltung der Reetdächer ist aufwendig, daher haben die meisten Besitzer eine Art Haus um das Haus gebaut. Es bewahrt die Häuser, nimmt aber der Gegend aus meiner Sicht den Charm.

Unten am Bus überlege ich kurz, ob ich zumindest zurück zu Brücke laufen soll und dann mit dem Backup-Bus zurück. Ich nehme dann doch den Bus. Am Bahnhof bleibt Zeit für eine Sakepause. Ich bedanke mich bei dem Anwohner von heute morgen, der immer noch am Bahnhof den Tag genießt.

Dann wird es etwas langweilig: Zug nach Kotohira. Koffer einsammeln. Dann mit dem Zug nach Kotohira. Weiter mit dem Zug, für 2 Stunden der Küste entlang, nach Matsuyama. Weiter nach Dogo Onsen mit der Straßenbahn und dann? Ich nutze die letzten Yen in meiner Tasche für ein Taxi.

Es stellt sich heraus, dass Dogo Onsen genau auf der anderen Seite von Matsuyama ist. Der Taxifahrer bringt mich erst zum falschen Hotel. Ich wollte zum Dogoya. Wir stehen vor dem Dogoya-ya. Knapp daneben, etwa 100m.

Das Ryokan ist der Kracher. Der Eingang, der Empfang. Die Mitarbeiterin empfängt mich im Kimono und bringt mich zum Zimmer. Tür. Langer Flur mit Papierwand links. Wie sich herausstellt ist das alles meine Zimmer. Der Raum ist riesig. Die Malerei an der Wand ein Hammer. Das Ryokan ist ein echter Gegner für die akutelle Nummer 1 dieser Reise, das Sansou Tanaka in Yufuin.

Nach dem Checkin noch ein schneller Marsch um den Block. Endlich wieder Zeit für Yukata. Ich folge der Taxiroute. Diese führt mehr oder weniger durch einen Rotlichtbezirk, von den Hotelmitarbeitern „Pink Street“ getauft. Das berühmte Dogo Onsen finde fast auf Anhieb, ebenso die Straßenbahnstation. Mehr dazu aber in den kommenden Tagen.

Erkenntnis des Tages: Ich glaube für die nächste Reise sollte ich einen Mietwagen einplanen.


Kazurabashi war die erste Hängebrücke in Japan. Sie ist 14m über dem Wasser und 45m lang.

Kotohira; Taifun 16

Auch bei meinem 7. Besuch schafft es das japanische Frühstück nicht auf meine Hitliste. Die Ursachen sind unverändert Fisch und eingelegtes Gemüse. Bevor der Tag richtig startet, werden Nachrichten konsumiert. Das wird häßlich. Das Zentrum des Taifuns wird in wenigen Stunden etwas südlich von Chikoku passieren. Kotohira ist trotzdem in der roten Zone (Windgeschwindigkeiten in Orkanstärke). Die Zahlen sind beängstigend: Wind bis zu 50 m/s (180 km/h) und Regenfälle bis zu 500 mm. Als in diesem Sommer in Stromberg die Schlammlawine den Ortskern zerstörte, waren dieser Regenfälle von 50-75 mm vorausgegangen. Nur so als Vergleich.

Ich werde versuchen, so viel wie möglich zu sehen, bevor es zu schlimm/gefährlich wird. Die Straße zum Kompirasan beginnt in der Nähe vom Hotel. OK, Kotohira ist klein, somit liegt jedes Hotel nahe der Straße. Blick zum Fluss: Der Pegel ist um bestimmt 1m gestiegen. Das Wetter: strömender Regen. Erster Stop wird das Kanamaruza, Japans ältestes erhaltenes Kabuki-Theater.

Kabuki habe ich schon gesehen. Hier folgt ein Blick hinter die Kulissen und die Erfahrung, dass die ganzen Effekte bis hin zu fliegenden Schauspielern schon vor 180 Jahren existierten. Die drehende Bühne mit dem Axialrollenlager aus Holz ist heute noch in Betrieb, inklusive Personenaufzug. Aufgrund des Wetters bin ich der einzige Gast. Ich habe also meinen ganz persönlichen Guide, der mir alles zeigt und erklärt.

Das Sakemuseum hat geschlossen (Taifun). Es geht die Stufen hinauf zum Kompirasan. Es sollen viele Stufen werden. Auf den ersten hundert gibt es links und rechts viele Geschäfte. Heute sind sie alle geschlossen (Taifun). Der strömende Regen wird stärker. Regenschirm, Regenmantel und die wasserdichte Jacke sind nicht länger ausreichend. Glücklicherweise ist der Wind noch relativ schwach und konstant, dass ich überhaupt den Regenschirm benutzen kann, um die Kamera zu schützen.

Stufe um Stufe geht es hinauf. Der Regen wird noch stärker. Der Wind nimmt etwas zu. Ich passiere das Torii. Eine gerade Strecke. Komplett vom Wasser geflutet. Dann wieder Stufen. Diese sind zwar alle schräg (vgl. meine früheren Kommentare zu japanischen Tempelstufen), um den Regen abzuleiten, aber es ist so viel Regen, dass die Treppe ein einzige große Wasserkaskade ist.

Hinter zwei Kurven ist das erste große Schreingebäude. Fotos sind kaum möglich. Ein Hausmeister versucht, die Regenabflüsse von Zweigen und Lauf freizuhalten, damit zumindest etwas Wasser abfließen kann. Der Platz steht knöcheltief unter Wasser. Beim Wasserstand in meinen Schuhen ist das jetzt egal.

Es folgen weitere Stufen zum Hauptgebäude. Es war den Aufstieg wert; trotz des Regens. Nur der Blick auf die Stadt fehlt. Ich schaue in eine graues Nichts. Der Regen setzt mittlerweile auch meiner Kamera zu. Die Settings verstellen sich. (Leider bemerke ich erst morgen, das sich auch die Farbbalance und die Kontrasteinstellungen verabschiedet haben.)

Kurz nach dem Mittag beginne ich mit dem Abstieg und zähle die Stufen: 893. Unten suche ich den Udonladen, der im Lonely Planet empfohlen wurde.

Was macht man mit so einem gebrauchten Tag? Der Zugebetrieb ist eingestellt. Aber in etwa zwei Stunden soll der erste Zug nach Norden (Marugame) wieder fahren. Nach Süden geht wohl heute nichts mehr. Zwei Touristen scheinen am Bahnhof gestrandet zu sein. Sie schauen etwas planlos auf die leere Anzeigetafel.

Es bleibt Zeit für die letzte Attraktion in Kotohira: die alte Brücke. Nettes Postkartenmotiv. Der Flusspegel ist noch weiter gestiegen. Die Feuerwehr hat die beiden Stautstufen komplett geöffnet. Zum Glück lässt der Regen nach. Zu einer Überflutung der Straßen wird es wohl nicht kommen. Generell scheint Kotohira vom Taifun verschont worden zu sein.

Marugame

Es ist fast wie ein Wunder. Der Regen hat aufgehört. Der Himmel zeigt blaue Lücken. Sonnenschein. Von der Burg steht eigentlich nur noch ein kleiner Eckturm. Der Aufstieg ist anstrengend. Er ist steil und nach dem Sturm nass, laubbedeckt und rutschig. Der Turm selbst ist geschlossen (Taifun). Dafür lohnt sich der Blick in alle Himmelsrichtungen. Gerade jetzt mit diesem Licht. Man sieht die gesamte Seto-Brücke von hier. Ich ärgere mich, dass ich mein Tele im Hotel hab liegen lassen.

Nach der Burg genehmige ich mir einen Abstecher zum Hafen. Auf dem Weg dorthin und zurück finde ich ein paar gute Beispiele für die Probleme dieser Region Japans: Die schwindende Einwohnerzahl. Es gibt einen ganzen Straßenzug mit verwaisten, verfallenen Häusern. Brachland, wo früher einmal Häuser standen. Und ja, auch wilde Müllkippen.

Es wird dunkel. Ich nehme den nächsten Zug nach Kotohira. Den Taifun habe ich überstanden. Am Bahnhof von Kotohira sitzen immer noch die beiden Touristen. Mittlweile sind auch wieder Züge nach Süden auf der Anzeigetafel.

Der Abend endet mit Onsen und Abendessen im Izakaya von gestern. Das Onsen ist dabei etwas problematisch. Jemand hat die Heizung des Rotenburo deaktiviert. Das Wasser ist kalt, was der Rezeption etwas peinlich ist. Das Aufheizen wird etwas dauern. Als Entschädigung darf ich eines der beiden private Indoor Baths benutzen. Ein Traum von einem Badezimmer. So gesehen ein Glück, dass die Heizung aus war.

Erkenntnis des Tages: Taifun heißt „großer Wind“ meint aber auch viel, sehr viel Regen.


[Nachtrag von 2019: NHK hat diese Show: Journey’s in Japan. Für die letzten 2 Reisen habe ich dort immer wiederIdeen gesammelt. Jetzt endlich gab es eine Show über einen Ort, wo ich schon war. Kotohira. Ich war während eines Taifun-Auftaktes dort. Alle Shops in der Straße zum Schrein waren geschlossen. Hier ein paar Fotos, von einem Tag ohne Regen.]