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Kotohira; Taifun 16

Auch bei meinem 7. Besuch schafft es das japanische Frühstück nicht auf meine Hitliste. Die Ursachen sind unverändert Fisch und eingelegtes Gemüse. Bevor der Tag richtig startet, werden Nachrichten konsumiert. Das wird häßlich. Das Zentrum des Taifuns wird in wenigen Stunden etwas südlich von Chikoku passieren. Kotohira ist trotzdem in der roten Zone (Windgeschwindigkeiten in Orkanstärke). Die Zahlen sind beängstigend: Wind bis zu 50 m/s (180 km/h) und Regenfälle bis zu 500 mm. Als in diesem Sommer in Stromberg die Schlammlawine den Ortskern zerstörte, waren dieser Regenfälle von 50-75 mm vorausgegangen. Nur so als Vergleich.

Ich werde versuchen, so viel wie möglich zu sehen, bevor es zu schlimm/gefährlich wird. Die Straße zum Kompirasan beginnt in der Nähe vom Hotel. OK, Kotohira ist klein, somit liegt jedes Hotel nahe der Straße. Blick zum Fluss: Der Pegel ist um bestimmt 1m gestiegen. Das Wetter: strömender Regen. Erster Stop wird das Kanamaruza, Japans ältestes erhaltenes Kabuki-Theater.

Kabuki habe ich schon gesehen. Hier folgt ein Blick hinter die Kulissen und die Erfahrung, dass die ganzen Effekte bis hin zu fliegenden Schauspielern schon vor 180 Jahren existierten. Die drehende Bühne mit dem Axialrollenlager aus Holz ist heute noch in Betrieb, inklusive Personenaufzug. Aufgrund des Wetters bin ich der einzige Gast. Ich habe also meinen ganz persönlichen Guide, der mir alles zeigt und erklärt.

Das Sakemuseum hat geschlossen (Taifun). Es geht die Stufen hinauf zum Kompirasan. Es sollen viele Stufen werden. Auf den ersten hundert gibt es links und rechts viele Geschäfte. Heute sind sie alle geschlossen (Taifun). Der strömende Regen wird stärker. Regenschirm, Regenmantel und die wasserdichte Jacke sind nicht länger ausreichend. Glücklicherweise ist der Wind noch relativ schwach und konstant, dass ich überhaupt den Regenschirm benutzen kann, um die Kamera zu schützen.

Stufe um Stufe geht es hinauf. Der Regen wird noch stärker. Der Wind nimmt etwas zu. Ich passiere das Torii. Eine gerade Strecke. Komplett vom Wasser geflutet. Dann wieder Stufen. Diese sind zwar alle schräg (vgl. meine früheren Kommentare zu japanischen Tempelstufen), um den Regen abzuleiten, aber es ist so viel Regen, dass die Treppe ein einzige große Wasserkaskade ist.

Hinter zwei Kurven ist das erste große Schreingebäude. Fotos sind kaum möglich. Ein Hausmeister versucht, die Regenabflüsse von Zweigen und Lauf freizuhalten, damit zumindest etwas Wasser abfließen kann. Der Platz steht knöcheltief unter Wasser. Beim Wasserstand in meinen Schuhen ist das jetzt egal.

Es folgen weitere Stufen zum Hauptgebäude. Es war den Aufstieg wert; trotz des Regens. Nur der Blick auf die Stadt fehlt. Ich schaue in eine graues Nichts. Der Regen setzt mittlerweile auch meiner Kamera zu. Die Settings verstellen sich. (Leider bemerke ich erst morgen, das sich auch die Farbbalance und die Kontrasteinstellungen verabschiedet haben.)

Kurz nach dem Mittag beginne ich mit dem Abstieg und zähle die Stufen: 893. Unten suche ich den Udonladen, der im Lonely Planet empfohlen wurde.

Was macht man mit so einem gebrauchten Tag? Der Zugebetrieb ist eingestellt. Aber in etwa zwei Stunden soll der erste Zug nach Norden (Marugame) wieder fahren. Nach Süden geht wohl heute nichts mehr. Zwei Touristen scheinen am Bahnhof gestrandet zu sein. Sie schauen etwas planlos auf die leere Anzeigetafel.

Es bleibt Zeit für die letzte Attraktion in Kotohira: die alte Brücke. Nettes Postkartenmotiv. Der Flusspegel ist noch weiter gestiegen. Die Feuerwehr hat die beiden Stautstufen komplett geöffnet. Zum Glück lässt der Regen nach. Zu einer Überflutung der Straßen wird es wohl nicht kommen. Generell scheint Kotohira vom Taifun verschont worden zu sein.

Marugame

Es ist fast wie ein Wunder. Der Regen hat aufgehört. Der Himmel zeigt blaue Lücken. Sonnenschein. Von der Burg steht eigentlich nur noch ein kleiner Eckturm. Der Aufstieg ist anstrengend. Er ist steil und nach dem Sturm nass, laubbedeckt und rutschig. Der Turm selbst ist geschlossen (Taifun). Dafür lohnt sich der Blick in alle Himmelsrichtungen. Gerade jetzt mit diesem Licht. Man sieht die gesamte Seto-Brücke von hier. Ich ärgere mich, dass ich mein Tele im Hotel hab liegen lassen.

Nach der Burg genehmige ich mir einen Abstecher zum Hafen. Auf dem Weg dorthin und zurück finde ich ein paar gute Beispiele für die Probleme dieser Region Japans: Die schwindende Einwohnerzahl. Es gibt einen ganzen Straßenzug mit verwaisten, verfallenen Häusern. Brachland, wo früher einmal Häuser standen. Und ja, auch wilde Müllkippen.

Es wird dunkel. Ich nehme den nächsten Zug nach Kotohira. Den Taifun habe ich überstanden. Am Bahnhof von Kotohira sitzen immer noch die beiden Touristen. Mittlweile sind auch wieder Züge nach Süden auf der Anzeigetafel.

Der Abend endet mit Onsen und Abendessen im Izakaya von gestern. Das Onsen ist dabei etwas problematisch. Jemand hat die Heizung des Rotenburo deaktiviert. Das Wasser ist kalt, was der Rezeption etwas peinlich ist. Das Aufheizen wird etwas dauern. Als Entschädigung darf ich eines der beiden private Indoor Baths benutzen. Ein Traum von einem Badezimmer. So gesehen ein Glück, dass die Heizung aus war.

Erkenntnis des Tages: Taifun heißt „großer Wind“ meint aber auch viel, sehr viel Regen.


[Nachtrag von 2019: NHK hat diese Show: Journey’s in Japan. Für die letzten 2 Reisen habe ich dort immer wiederIdeen gesammelt. Jetzt endlich gab es eine Show über einen Ort, wo ich schon war. Kotohira. Ich war während eines Taifun-Auftaktes dort. Alle Shops in der Straße zum Schrein waren geschlossen. Hier ein paar Fotos, von einem Tag ohne Regen.]