Rosen und Kirschblüten

Ein Japaner hat mir gesagt: „Wir Japaner lieben die Kirschblüte und mögen keine Rosen“.

Ohne jetzt lange über die japanische Seele und japanische Ästhetik diskutieren zu wollen, ist dieser Satz bemerkenswert, weil er beides zusammenfaßt. Immer wieder frage ich mich, warum japanische Gärten so anders aussehen. Sie haben doch auch nur Gras und einen Teich. Der Unterschied ist im Detail, ich kann ich nicht erklären. Gleiches gilt sicherlich auch für japanische Räume. Man erkennt sofort, ob sie von einem Japaner oder einem Europäer eingerichtet wurden. Igendetwas ist anders im ästhetischen Empfinden der Japaner.

Japan ist ein Land, das geprägt ist vom Buddhismus und vom Shinto. Beide Religionen verehren die Ahnen und haben, im Vergleich zum Christentum, einen entspannteren Umgang mit dem Tod und dem Jenseits. Für den Japaner, und das ist jetzt nur meine Theorie, ist ein ästhetischer Tod wichtig. Samurai haben sehr auf Körperpflege geachtet. Man wollte im Fall der Fälle keine häßliche Leiche abgeben.

Aber zurück zu den Rosen. Die Rosenblüte verdorrt am Stengel, als ob sie krampfhaft am Leben festhalten würde. Die Kirschblüte fällt leicht und anmutig zum Zeitpunkt ist größten Schönheit. Da ist kein krampfhaftes festhalten bis zum Schluß. Die Blütenblätter verwelken nicht, sondern fallen rein und weiß vom Baum. Das Leben der Krischblüte ist kurz aber  mächtig in ihrer Wirkung.

Damit ist aus Sicht der Japaner die Kirschblüte der Begriff der Ästhetik. In Deutschland haben wir einen ähnlichen Spruch: „Aufhören wenn es am Schönsten ist“. In Gewisser weise trifft das auf die Kirschblüte zu. Für Japaner ist die Krischblüte ein Symbol der Vergänglichkeit und zugleich ein Symbol des Neuanfangs. Mit der Kirschblüte beginnt in Japan der Frühling. Man könnte nun vermuten, daß es kein Zufall ist, daß fast zu gleichen Zeit in Japan das Schuljahr beginnt. Wir kennen das aus den Manga und Anime. Der Abschied von Klassenkameraden und dem ersten Freund/Freundin, dazu Kirschblüte im Hintergrund. Alles so schön kitschig. Aber auch japanisch.

Die Rose hat die falschen Ideale.
Die Kirschblüte als Symbol von Ende und Anfang.

Eine ähnliche Ästhetik findet man auch in dem Film Samurai Fiction. In einem Interview spricht der Autor Hiroyuki Nakano über die beiden weiblichen Charaktere Koharu and Lady Okatsu. Er sagte, im Leben einer Frau gibt es zwei Momente maximaler Schönheit/Attraktivität. Koharu verkörpert als junges unverheiratetes Mädchen die erste Zeit. Lady Okatsu hingegen verkörpert die reife Frau. Folgt man der Analogie der Kirschblüte ist es nur konsequent, daß sie im Film stirbt. (Letzteres ist wieder meine persönliche Theorie.)

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