Ein Labyrinth names Shibuya Station

Shibuya Station (渋谷駅) ist einer der größten Bahnhöfe in Tokyo. Täglich steigen hier über 3,3 Millionen Fahrgäste am Tag (!) ein, aus oder um. Manche Quellen bezeichnen ihn als zweitgrößten Bahnhof weltweit bezogen auf die Fahrgastzahlen, nur übertroffen von Shinjuku. Und die Zahlen steigen. 2004 war Shibuya mit „nur“ 2,4 Millionen Fahrgäste weltweit noch auf Platz 4 hinter Shinjuku (Tokyo), Ikebukuro (Tokyo) und Osaka/Umeda.

9 Bahnlinien treffen hier aufeinander, die sich auf insgesamt 5 Ebenen plus Zwischenlevel verteilten:

  • die U-Bahn-Linien Ginza (G),  Hanzomon (H) und Fukutoshin (F)
  • JR Linien Saikyo (JA), Shonan-Shinjuku (JS) und Yamanote (JY)
  • Tokyu Denentoshi (DT) und Toyoko Line (TY)
  • Keio Inokashira Line (IN)
  • auch der Narita Express (NEX) stoppt hier

Zwischen den Bahnsteigen befindet sich ein wahren Labyrinth aus Korridoren. Es gibt über 30 Ein- und Ausgänge. Ich weiß noch, wie ich auf der ersten Reise vergeblich (fast) versucht habe, den Weg zurück zum Bahnsteig der Ginza-Linie zu finden.

Das Chaos wird noch größer, wenn man brücksichtigt, dass der Bahnhof unter bzw. in einem Gebäudekomplex liegt (Ginza-Linie), der ein komplettes Kaufhaus (das Toyoko Department Store) beherbergt. Ein- und Ausgänge führen also entweder ins Freie oder ins Kaufhaus.

Shibuya Station startete seinen Betrieb am 01. März 1885 als Haltepunkt an der damaligen Shinagawa Linie. Weitere Bahnlinien und Bahngesellschaften folgten. Hier eine Übersicht:

  • 1885: JR Shinagawa-Linie
  • 1907: Tamagawa Dentetstu (Betriebsende 1969)
  • 1909: JR Yamanote-Linie (Übernahme der Shinagawa-Linie)
  • 1927: Toyoko-Linie
  • 1933: Teito Shibuya Line (heute Keio Dentetsu)
  • 1938: Tokyo Rapid Railway (wurde 1939 eine Verlängerung der Ginza-Linie und 1941 Teil der Ginza-Linie)
  • 1977: Den-en-Toshi Linie
  • 1978: Hanzomon-UBahn-Linie
  • 2008: Fukutoshin-UBahn-Linie

Die letzte Ergänzung war die Fukutoshin U-Bahn-Linie in 2008, die 2013 mit der Tokyu-Line verbunden wurde. Man kann also mit Recht sagen, dass dieser Bahnhof organisch gewachsen ist. Und ich kann von mir behaupten, dass ich Shibuya Station ohne Fukutoshin, mit Fukutoshin und jetzt mit der Kombination Fukutoshin/Toyoko-Linie kenne.

Besonderheiten

Thru-Service: U-Bahn-Linien enden nicht einfach, sondern verlängern sich zu Regionalbahnlinien. Das kann verwirrend sein, zumal diese Verlängerung in den Reiseführern nicht erwähnt ist und man irrtümlich andere, vermeintlich einfacher Route wählt. Ich habe diese Besonderheit auch schon benutzt. Auf dem Rückweg von Chinatown Yokohama bin ich in die dortige Minatomirai-UBahn-Linie eingestiegen, die in Yokohama zur Toyoko-Linie wurde. Shibuya einschien auf de Anzeige, also bin ich sitzen geblieben. In Shibuya hätte ich dann mit der Fukutoshin-Ubahn weiterfahren können, aber ich habe ich die Ginza gewechselt, um zurück zum Hotel zu fahren. Und ich habe mich wieder einmal verlaufen.

Weitere Bespiele ist die Asakusa-UBahn-Linie, die sich nach Süden in einen Zug zum Airport Haneda verlängert und nach Norden in einen Zug zum Airport Narita. Aber ich schweife ab …

Der Bahnhof der Toyoko-Line WAR bis 2013 ein Kopfbahnhof mit 2 Gleisen und 4 Bahnsteigen. Man steigt auf die gerade Bahnsteige aus, während Passgiere für den Einstieg auf den ungeraden warten. Die Fahrgastströme werden also auf verschiedene Bahnsteige getrennt.

Der Bahnsteig der Saikyo-Linie ist etwa 350m südlich der Bahnsteige der Yamanote Linie.  Man muss also ein ganzes Stück laufen. Von der Fukutoshin/Toyoko-Line sind über 600m.

Warum endet die Ginza-U-Bahn-Linie im 3F?

Dazu muss man wissen, dass die Ginza-Linie eine U-Bahnlinie ist, die in Shibuya endet; und zwar im zweiten Stock (3F in Japan) des Toyoko Department Stores. Warum?

Shibuya liegt in einem Flusstal und damit mehrere Meter tiefer als das restliche Tokyo drumherum. Die Ginza-Linie verlässt die Station Omotesando und hält ihrer Höhe bzw. Tiefe. Kurz vor der Station Shibuya ist das Gelände soweit gesunken, dass die U-Bahn jetzt überirdisch fährt.

Im Stadtbild kann man Tallage gut erkennen. Wenn man von Shibuya nach Meiji-Jingu-Mae läuft beginnt man unter der Ginza-Linie und es geht bergauf. Geht man von dort nach Omotesando geht es weiter bergauf. In Omotesando angekommen ist man weit oberhalb der Ginza-Linie.

Auch die Doganzaka führt vom Banhhof kommend vorbei an Shibuya 109 bergauf. Links liegt „Love Hotel Hill“ mit seinen engen Gassen und Treppen.

Wo ist der Fluss geblieben?

Der Fluss, der durch das Tal führt. existiert noch. Man kann ihn auf google-maps südlich der Station sehen. Im Bereich der Station verläuft er unterirdisch. Er wurde von der Station und dem Department Store überbaut. Oder besser gesagt: umbaut.

Der Fluss ist mit ein Grund für das Korridorlabyrinth. Alle unterirdischen Korridori müssen um den Fluss herum geführt werden. Der Shibuyagawa ist auch der Grund, warum das Ostgebäude des Toyoko Department Store keine Delikatessenabteilung in Kellergeschossen, genauer gesagt keine Kellergeschosse, hat.

Derzeit befindet sich die ganze Region um den Bahnhof im Umbau. Neue Hochhäuser wie Shibuya Scramble entstehen. Auch der Bahnhof wird umgebaut. Fun Fact: Flüsse gelten in Japan als „Public Space“ und dürfen daher nicht von Privatleuten und Firmen überbaut werden. Das Department Store ist also rein theoretisch illegal gewesen.

Jetzt kommt der Hammer: Die haben den unterirdischen Fluss verlegt und Platz für ein unterirdische Plaza geschaffen: Die East Exit Underground Plaza, die am 30. Oktober 2019 eröffnet wurde. Wer in der Plaza ist, sollte nach oben schauen. Die Betonkonstruktion unter der Decke, das ist der Fluss !

Der Wahnsinn eines Bahnhofumbaus

Seit 2004 bin ich immer wieder in Shibuya. Und jedes Mal bin ich irgendwo falsch abgebogen. Das liegt zum einem an diesem Chaos an Gängen und Korridoren, zum anderen aber auch daran, dass sich jedes Mal etwas geändert hat; neue Bahnlinien kamen hinzu, Ausgänge wurden verlegt. Seit 2013 ist es besonders schlimm. Der ganze Bahnhof wurde nach und nach im vollen Betrieb (!) umgestaltet. Teile des Tokyu Department Store wurde abgerissen. Nicht einfach, wenn einzelne Bahnlinien in diesem Gebäude enden.

Verlegung der Toyoko-Linie in den Keller

Im Zuge des Umbaus wurde die Toyoko-Linie verlegt. Sie endete 2013 überirdisch (2F) in Shinjuku. Am 16.03.2013 wurde sie auf die unterirdische Ebene B5F verlegt und mit der Fukutoshin-Linie verbunden.

Der Schwenk der Streckenführung erfolgte im laufenden Betrieb, innerhalb von nur 4 Stunden zwischen den letzten Nachtzug und dem ersten Morgenzug. Es war eine perfekte Choreographie von 1200 Bauarbeitern.

Alles war vorbereitet. Zwischen letzten und ersten Zug, wurde ein Gleissegment entfernt, das Segment davor von Hydraulikpressen nach unten gedrückt. Es wurde das fehlende Segment zur bereits bis hier gebauten neuen Streckenführung eingefügt. Alles wurde getestet (inklusive Testzug) und der erste Zug fuhr pünktlich auf die neue Strecke.

Verlegung der Ginza-Linie um 50m

Anfang 2020 wurde die Ginza-Linie verschoben. Wie bereits erwähnt endet sich überirdisch. Kurz vor dem Bahnhof quert sie eine Hauptverkehrsstraße.

Für die Ginza-Linie wurde ein komplett neuer Bahnsteig gebaut, der 50m neben dem alten liegt. Im Rahmen einer Großaktion wurde die Brücke über die Straße verschoben. [Ich hatte darüber berichtet.] Dafür wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Ginza-Linie, die übrigens seit über 100 Jahren existiert, der Betrieb für mehr als zwei Tage für Bauarbeiten unterbrochen. Für japanische Verhältnisse ist das heftig. Und es zeigt, wie enorm die Umbaumaßnahme war.

Und ich muss schob wieder die Korridore neu lernen. Die Ginza-Linie ist meine Linie nach Shibuya, da ich nicht umsteigen muss.


Ausgang A8

Alle Ausgänge wurden umbenannt. Es gibt jetzt endlich ein System: A-Ausgänge führen zur berühmten Kreuzung, Center-Gai und der Hachiko-Statue. B und C sind die neuen Hochhäuser. D ist ein Gebiet, dass sich noch im Umbau befindet. Leider heißt dies auch, dass ich alles neu lernen muss und dass alle Reiseführer, die vor 2020 gedruckt wurden, jetzt falsch sind,

Ausgang A8 ist übrigens der Ausgang, der zur Hachiko-Statue führt. Hachi ist das japanische Wort für 8. Ist das cool, oder nicht?

Die Hachiko-Statue ist übrigens eine Statue von einem Hund. Dieser hat sein Herrchen immer morgens zum Bahnhof begleitet und abends auf ihn gewartet, wenn er  von der Arbeit zurück kam. Hachiko war ein Akita-Inu und der 8. Hund aus dem Wurf, daher der Name. Am 21.05.1925 starb sein Herrchen Hidesaburo Ueno auf der Arbeit und kehrte nicht mehr zum wartenden Hachiko zurück. Die nächsten 10 Jahre kehrte der Hund immer wieder zum Bahnhof zurück und wartete. Hachiko starb am 8. März 1935. Sein Fell wurde präpariert und ist jetzt im National Museum of Science in Ueno ausgestellt. Der Rest von Hachiko wurde eingeäschert und neben seinem Herrchen auf dem Aoyama Friedhof beigesetzt.

weitere geplante Umbauten

Die Umgestaltung von Shibuya Sation und die Region um den Bahnhof herum ist noch nicht abgeschlossen.Es wird also weiter dabei bleiben, dass ich verwirrt bin, wenn ich Shibuya besuche: Das Areal im Südwesten (D-Ausgänge) ist derzeit im vollem Umbau. Am Bahnhof selbst soll der Saikyo-Bahnsteig mit dem Yamanote-Bahnsteigs zusammengelegt werden.

[Stand: 22.02.2020]