Aizu-Wakamatsu

Heute steht Aizu-Wakamatsu auf dem Plan. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass noch ein paar Reste der Kirschblüte zu sehen sind. Die Anreise ist im Prinzip einfach: Zuerst geht es mit dem Shinkansen runter nach Koriyama, eine Station südlich von Fukushima.

Von hieraus fährt der Local nach Aizu-Wakamatsu. Die Fahrt dauert etwas und ist komplett langweilig. Gut, man hat einen schönen Blick auf Mt. Bandai. An einer Station stehen Kirschbäume in voller Blüte. Sollte ich Glück haben?

Ich war schon zwei Mal in Aizu-Wakamatsu, und habe dennoch nicht alles gesehen. Der Bahnhof ist zur Hälfte ein Kopfbahnhof … daran kann ich mich gar nicht erinnnern. Mein Blick fällt sofort auf einen Zug mit besonderem Design: Es ist der Shiki-Shima; ein Zug der es mit jedem 5-Sterne-Hotel aufnehmen kann. Die Fahrt mit ihm kostet ein Vermögen. 5000€ aufwärts. Und dennoch ist dieser Zug auf Monate ausgebucht.

Erster Stopp in Aizu-Wakamatsu ist die Sake-Brauerei. Hier wird eine Führung angeboten; auf Japanisch. Die Tour ist auch relativ kurz und wenig technisch, allerdings ist mein Wissen über die Herstellung von Sake … ich sage mal … überdurchschnittlich.

Ein Stück zurück gab es kurzen, netten Straßenzug. Der Rest von Wakamatsu wirkt, wie die meisten japansichen Städte, verwittert und in die Jahre gekommen. Der Weg zur Burg ist weiter als ich dachte, aber egal. Irgendwo muss doch ein 7eleven (Geldautomat) zu finden sein. Japp. Kurz vor der Burg ist einer. Direkt an einem der Bushaltepunkte. Gut, dann war der Fußmarsch doch überflüssig.

Apropos flüssig. Ich laufe aus. Die Temperaturen sind der Hammer. Und der Sonnenbrand von gestern wird dadurch auch nicht besser.

An der Burg geht es rechts-links-rechts durch die Burgmauern. Aber. Die Kirschblüte ist vorbei. Alles weg. Alles. Obwohl ich damit gerechnet habe, bin ich doch ein wenig enttäuscht. Im Hof der Burg ist aber noch alles in vollen Gang. Es gibt Teezeremonien und eine kleine Ecke mit Matsurifutter. Die Optik der Stände ist auf altertümlich getrimmt, ähnlich wie bei Mittelaltermärkten in Deutschland. Die Stände passen damit gut zur Burg und den umgebenden Burgmauern. Ich lasse mich sogar dazu hinreißen, ein paar alte Sen-Münzen zu kaufen. Keine Idee was ich damit machen werde.

Da meine Idee für gute Sakura-Fotos hin ist, setze ich meine Tour fort, zum japanischen Garten. Er ist klein, aber durchaus einen Stopp wert, wenn man die Zeit übrig hat. Ich gönne mir nur einen Bustakt für den Besuch. Rückwirkend betrachtet war das zu knapp.

Es geht weiter zu Higashiyama Onsen am Südostende von Aizu-Wakamatsu; zwei Stationen hinter der Samurai-Residenz (Aizu Bukeyashiki), die ich 2008 besichtigt habe. Fazit: Der Ort hat es hinter sich. Gleich am Anfang steht des historische Ryokan, das man Fotos kennt. Es ist wirklich ein hübscher Anblick. Rundherum ist aber nur Beton. Ein Stück weiter ist ein enger Straßenabschnitt. Hier sind alle Häuser verlassen und teilweise schon zusammengestürzt. Es ist ein trostloser Anblick. Dahinter folgen weiterer Leerstand und Betonhotels. Alles macht einen heruntergekommenen Eindruck. Die Straßen sind leer. Man kann nur hoffen, dass es drinnen eine „schöne heile Onsen-Welt“ gibt. Zum Glück habe ich nicht hier gebucht.

Ich nehme den nächsten Bus zurück in die Zivilisation. Es ist noch Zeit für einen letzten Stop an der Helix-Pagode. Zuerst geht es mit dem Förderband nach oben zum Friedhof. Hm. Die Statue vom Samurai fehlt. Dafür finde ich Widmung mit eisernem Kreuz von 1935. In Deutschland hätte man diesen Gedenkstein, mit diesem Datum, sicherlich in der hintersten Ecke versteckt. *)

Die Pagode steht immer noch zu schief in der Landschaft wie vor 10 Jahren. Es bleibt eine der merkwürdigsten Pagodenkonstruktion, die ich kennen. Wieder zurück am unteren Ende der Treppen kaufe ich eine Tüte mit Süßkartoffelsstreifen und warte auf den Bus.

Direkt neben der Haltestelle steht ein Dosisleitungsmessgerät. Das ist ein Novum für mich. Ich weiß, dass ich in der Präfektur Fukushima bin und diese Gegend seit 3-11 Strahlung abgekommen hat. Aber das Meßgerät macht es irgendwie realer. Und … Ich traue diesem Wert nicht. Hochgerechnet sind es 0,48 mSv pro Jahr. 1/5 des Durschnittswertes für Deutschland.  Das kann nur richtig sein, wenn sie die natürliche Belastung vorher abgezogen haben und dies hier nur die zusätzliche Belastung ist, zumal die Strahlenlast in Tokyo bei 0,09 µSv/h liegt.

Mit dem vorletzten Bus für heute geht es zurück zum Bahnhof. Zeit für eine schnelles Ramen in einer Nudelküche Im Bahnhofsgebäude. Die Schüssel ist schnell geschlürft und ich nutze die Zeit für Souvenirshopping.

Es folgt die unspektakuäre Rückreise nach Sendai.


*) Der Friedhof bedarf einiger Erklärung. Hier liege die Byakkotai begraben. Dies waren 16 bis 17 Jahre alte Samuraischüler, die alle Seppuku begangen haben, als sie glaubten, dass der Feind ihre Burg eingenommen und ihren Lord getötet hatte. In der stark nationalistischen Zeit des frühen 20. Jahrhunderts war diese Byakkotai ein Inbegriff von Ehre und Pflichtbewusstsein, dass sogar bis nach Europa schwappte.

Es steht ein Gedenkstein des Deutschen Reiches hier, mit einer eher neutralen Inschrift: „Ein Deutscher, den jungen Rittern von Aizu“ und dem eisernen Kreuz als Symbol. Ohne die Jahresangabe 1935 würde man diesen Gedenkstein jetzt nicht besonders spannend finden.

Auf dem Friedhof befindet sich auch eine Säule mit einem Adler. Diese Säule ist eine von drei Säulen aus Pompei. Sie wurde von Moussolini gestiftet. Inschrift (übersetzt) „With undying respect, Rome, the mother of modern civilisation, dedicates this timeless tribute to the Byakkotai, under the authority of ancient Rome, that the pillar may stand as proof of the greatness of fascism for thousands years.“ Ok, ich sehe, woher Adolf seine Idee mit dem tausendjährigen Reich hatte.