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Sapporo II (oder die Reste von Reiseführer)

Der zweite Sapporo-Abschnitt ist schnell erklärt: Dem Taifun 7 ist die Luft ausgegangen und er hat Tokyo getroffen. Die sind komplett abgesoffen. Aber, so ein Taifun ist groß und die Ausläufer reichen bis Sapporo. Es regnet. Ich veschiebe den Tagsausflug nach Lake Toya und starte den zweiten Abschnitt Sapporo. Große Lust auf Sightseeing habe ich nicht. Die Highlights des Tages waren: (1) Ein gemütliches Gespräch mit einem jungen Polizisten aus Wiesbaden, und (2) der Schrein am Ende meiner Liste mit Sehenswürdigkeiten …

Vom Hotel geht es zunächst zum botanischen Garten. Leider ist es kein japanischer Garten. Dadurch fehlt deren Ästhetik. Im Garten wirkt alles so westlich. Auch die Gebäude. Ich schlender ziellos durch das Areal.

botanischer Garten

Mit dem Polizisten komme ich eher durch Zufall ins Gespräch. Ich bin über sein „Hallo“ gestolpert. Ich war gerade dabei, in das Gewächshaus zu gehen; etwas in Gedanken versunken. Ohne nachzudenken sagte ich Hallo und bekam eine Antwort. Für klönen fast 2 Stunden und genießen Automatengetränke. Auch das ist Urlaub: Dinge geschehen lassen, nichts erzwingen, dem Fluß folgen.

Er ist 28 (so alt wie ich bei meiner ersten Japanreise) und absolviert das volle Programm: Er ist in Okinawa gestartet und hat den Lonely Planet (Homepage) für Hiker. Ziel hier auf Hokkaido ist die große Traverse. Respekt. Ganz ehrlich. Respekt. Die große Traverse ist ein 8-Tage-Marsch über die höchsten Gipfel des Daisetsusan-Nationalparks. Nichts für Warmduscher. Ich traue mir gerademal den 1,5-Tage-Trip von Sounkyo nach Asahidake zu.

Vom Garten geht es zurück zum Hotel. Meine Klamotten vollständig durchnässt. Sonderlich warm ist es auch nicht. Vom Hotel geht es dann zur U-Bahn und von dort weiter zum zweiten Ziel, dem Hokkaido-Jingu. Er liegt ein wenig außerhalb. Von der U-Bahn geht es in ein Waldgebiet. Hier  endet Sapporo; zumindest wirkt es so. Ich folge dem Weg. Ich muß einen Nebeneingang erwischt haben. Hier stehen nur kleine Schreine. Der Regen hat etwas nachgelassen. Die Luftfeuchte ist so hoch, daß alles in leichten Nebel gehüllt ist.

Hokkaido Jingu

Ich gehe durch den Wald und finde den Weg zum Hauptgebäude. Was für ein Eingang. Der Anblick erinnert mich an Ise. Die Proportionen sind flach. Das Holz ist Dunkel. Oben auf dem Dachfirst 5 vergoldete Tonnen und lange, nach oben hinausragende Giebelbalken. Genauso wie das Dach von meinem Kamidana. Das innere des Schreins ist wie aus dem Bilderbuch; Japan in leichter Überdosierung. Das Zirpen der Zikaden, Trommeln, der Duft von Zedernholz (er wird durch den Regen verstärkt). Eine riesige Fläche mit grauem Kies. Sorgfältig geharkt. Eine hohe Holzwand, die das Areal umgibt. Dahinter der Wald.

Jetzt sollte ich gehen. So wie es aussieht wurde eine Reisegruppe Chinesen angespült. Vorbei ist es mit der idyllischen Ruhe. Ich überlege kurz, ob ich hier in dem Waldgebiet wandern gehe. Ein paar Stunden bis zur Dunkelheit habe ich noch. So richtig Motivation kommt aber nicht auf. Und ich habe Hunger. Ich gehe zurück zur U-Bahnstation. Da sich nichts besseres findet, stoppe ich bei KFC.

T38, meine Abendprogramm, ist der JR Tower am Bahnhof, genauer gesagt, die Aussichtsplatform. Richtig vermutet, 38. Etage (nach westlicher Zählung 37. Obergeschoß – In Japan ist das Erdgeschoß Etage 1).Ich muß etwas suchen, bis ich den Eingang finde.

Die Aussicht ist super. Und zum ersten Mal sehe ich eine japanische Großstadt von oben „mit Rand“. Yokohama, Oosaka und Tokyo waren ein Lichtermeer bis zum Horizont; Sapporo nicht. Man erkennt deutlich, wo das Stadtgebiet endet. Das Lichtmeer hört abrupt auf. Nur an einen Stellen folgt es noch etwas den Hautstraßen.

Aussicht T38

Ich habe das Stativ mit und kann mir etwas freier als sonst die Perspektive wählen. Ich blicke auf das Cross Hotel. Das X ist ein gut sichtbares Markenzeichen. Unter mir die Hauptstraße. Auto verewigen sicht als Leuchtspur auf dem Bild. Die Ampelschalten sorgt für die Choreografie.

Ein Highlight der besonderen Art sind die Toiletten. Direkt nebem dem Urnial geht die Scheibe bis zum Fußboden. Frei formuliert: Man kann beim Pinkeln über die Stadt blicken. Keine Ahnung wie der Architekt auf diese Idee gekommen ist. Ich will es auch gar nicht wissen. Um 23 Uhr der letzte Stop des Tages in einem Izakaya. Ich muß morgen früh einen Zug erwischen. Es fahren nur zwei am Tag.


Fazit: Dieser Tag war aufgrund des Wetters suboptimal. Obwohl die Atmosphäre am Schrein schon was hatte. Highlight war dann der Blick von T38.

Sapporo-Fazit: Für Sapporo reicht ein Tag. Zum Pflichtprogramm zählen nach meiner Meinung: Clock Tower, der Schrein und T38 (als Abendprogramm). Ergänzt werden sollte das Programm durch den Besuch beim ehemaligen Regierungssitz und Sapporo Bier Museums. Optional ist der Fischmarkt und der Funkturm. Der bontanische Garten ist nur etwas für Leute, die auf sowas stehen.


Kanji-Lexikon:
Sapporo 札幌, Lake Toya 洞爺湖, Daisetsusan-Nationalparks 大雪山国立公園, Gyoza 餃子, Hokkaido-Jingu 北海道神宮, Yokohama, Oosaka 大阪, Tokyo 東京, Izakaya 居酒屋

今日は東京から札幌まで行きます。(oder kurz: Standortwechsel)

Heute habe ich einen guten Lauf. Ich bin noch vor dem Wecker um 6;30 wach geworden. Koffer packen, Frühstück, Check-out, 7:45 das Taxi nach (nein, nicht Paris) Hamamatsucho. Die Yamanote wäre einfacher gewesen, aber Rush Hour und ein 30kg-Koffer passen nicht zusammen.

Checkin am Flughafen Haneda: Ich mußte den Koffer auseinanderbauen und die beiden Flaschen ins Handgepäck umlagern. Damit konnte keiner rechnen: Flüssigkeiten ins Handgepäck. Der Aufpreis fürs Übergewicht ist rekordverdächtig: 18kg ÜBER dem Freigewicht kosten 1000円 (< 10€). Ich hoffe Ryanair liest diesen Blog…


Hokkaido

Landung in Hokkaido. Hm. Fühlt sich genauso an wie Honshu. Ich werde von einem Polizisten kontrolliert, Reisepaß und Visum. Japantypisch mit tausend Entschuldigungen und Bitten um Verständnis. Den möchte man nur noch in den Arm nehmen und sagen „Ist ok. Das ist dein Job.“

An dieser Stelle möchte ich mich kurz vorstellen: Ich bin Dennis, Häuptling vom Stamm der „Abwarten“. Ich frage bei JR nach, ob es noch Platz im Hokutosei gibt, obwohl ich seit Tagen weiß, daß der Zug ausgebeucht ist. Wow. Ein Einzelzimmer ist verfügbar !!! Die Rückreise ist gesichert !!! Nachtzug „Hokutosei“ !!! Kostet trotz JRP mehr als ein Hotel, aber egal. Es ist der Hokutosei und ich habe einen Tag mehr fürs Sightseeing.

Gleich danach reißt die Glückssträhne ab: Der nächste Bus nach Shikotsu fährt erst in 2 Stunden und es gibt von dort keine Verbindung nach Sapporo. Also direkt dorthin. Unterwegs fällt mir die etwas andere Dachform auf. Ich vermute es liegt an den Schneemengen im Winter und der daraus resultierenden Dachlast. Auch in München sind die Dächer anders geneigt als Hamburg.

Ich finde den Glücksfaden wieder. Das Hotel ist der Hammer. Zum ersten Mal, daß das Internet untertreibt. Stil pur. Die Lounge schreit nach Jazz und Funk (läuft übrigens gerade über Lautsprecher Lobby). Meine Begeisterung liegt sicherlich nicht daran, daß hier gerade ein Foto-Shooting abgehalten wird. Werde morgen ein paar Fotos machen, um den Neidfaktor zu steigern. *grins* Ab 15 Uhr nehme ich die ersten Stationen in Sapporo in Anlauf.


Sapporo

Sapporo ist schnell erkundet: Clock Tower, Saporro Tower, der Fischmarkt und das Sapporo Bier Museum. All das schaffe ich bis 18 Uhr. Der Clock Tower ist das Wahrzeichen der Stadt. Von der Größe wenig spektakulär. Das Gebäude ist ist aber das älteste in ganz Sapporo und die Uhr läuft seit 130 Jahren zuverlässig. Der Sapporo Tower ist wieder so ein „Funk-Eifelturm“. Er ist vom gleichen Architekten wie der Tokyo Tower. Irgendwie hat jede japanische Großstadt so einen Turm. In Sapporo markiert er zudem den Nullpunkt im Straßennetz. Wie in den USA wird hier in Nord, Süd, Ost und West gezählt.

Das Sapporo Biermuseum ist schon ein guter Fußmarsch, der mich am Fischmarkt (Hummer für über 100€ sind im Angebot) vorbeiführt. Das Museum ist in den alten Gebäuden der Brauerei untergebracht. Ich lerne einige erstaunliche Dinge: Es gibt die Sorte „Sapporo Classic“, die nur auf Hokkaido verkauft wird. Das Rezept stammt, wie die ersten Braumeister, aus Deutschland. Und es gibt die Sorte „Sapporo Edelpils“.

Der Tag endet mit einem Abendessen im Hotelresto „Agoda“. Ich sage euch lieber nicht was ich bezahlt habe. Ich formuliere es so: ich habe ausgiebig gekaut, um die „Kieferbewegung pro Euro“ in einem erträglichen Rahmen zu bringen. Das Abiente ist noch edler als der Rest des Hotels. 3 Kellner (mit Headset) sorgen für einen leisen und reibungslosen Ablauf. Der Koch kommt immer aus der Küche wenn das Essen serviert wird, wie ein Künstler, der sein Meisterwerk präsentiert und die Meinung der Kritiker hören will. Und die Gerichte sind Meisterwerke.


Fazit: Für Sapporo reicht ein Tag. Der Clock Tower ist klein aber sehenswert. Das Biermuseum ist ein kann, kein muss. Ganauso wie der Fischmarkt und der Funkturm. Ich habe den bot.Garten und den Schrein noch nicht besucht, aber auch erst um 15 Uhr mit der Rundreise gestartet. Wenn nicht gerade das Schneefest ist, dann ist Sapporo ein Stop zum Weiterreisen.


Kanji-Lexikon:
Hamamatsucho 浜松町駅, Yamanote 山の手, Flughafen Haneda 東京国際空港, Hokkaido 北海道, Honshu 本州, Hokutosei 北斗星, Sapporo 札幌