御御籤 .. おみくじ .. Omikuji

Japanische Schreine wissen wie man Geld macht; oder: die Götter sind bestechlich.

Omikuji. Das ist ein kleiner Zettel, eine Vorhersage, eine Weissagung, ob Glück oder Unglück auf einen wartet. Anders als Horoskope wird ein Omikuji komplett zufällig gezogen. Das Wort selbst kann in O-mi-kuji zerlegt werden. Am Anfang steht das Höflichkeits-O. Kuji kann als Lotterie übersetzt werden. Omikuji ist also eine sakrale Lotterie.

Der Ursprung liegt in chinesischen Gedichten und kann bis zurück in die Muromachi-Zeit (1336-1573) verfolgt werden. Auf einem klassischen Omikuji-Zettel kann das heute noch sehen. Er besteht aus drei Teilen: Oben steht die Vorhersage und unten eine genauere Aufschlüsselung auf die verschiedenen Lebensbereiche (ich gehe gleich noch darauf ein). In der Mitte steht dann meist ein Gedicht oder ein Auszug aus einem religösen Text.

Die Vorhersage

Bei der Vorhersage der Omikuji geht es um Glück (吉) oder Unglück (凶), das einem demnächst wiederfährt. Dies gibt es natürlich in den verschiedensten Abstufungen. Die Gängigsten sind:

  • 大吉 .. dai-ichi; großes Glück
  • 吉 .. kichi; Glück
  • 中吉 .. chuu-kichi; mittleres Glück
  • 半吉 .. han-kichi; Halbes Glück
  • 小吉 .. shoo-kichi; Kleines Glück
  • 末吉 .. sue-kichi; beinahe-Glück
  • 末小吉 .. sue-shoo-kichi; beinahe-Kleines Glück
    • 末凶 .. sue-kyoo; beinahe-Pech
    • 小凶 .. shoo-kyoo; kleines Pech
    • 半凶 .. han-kyo; halbes Pech
    • 凶 .. kyoo, Pech
    • 大凶 .. dai-kyo, großes Pech

Fragt mich jetzt aber nicht, ob die Sortierung stimmt. Es gibt aber mehr Glück als Pech. Die durchschnittliche Verteilung ist 70:30 für  Glück. Das ist schon mal aufmunternd.

Die obige Liste ist nicht verbindlich. Manche Omikuji habe auch 大大 für sehr großes Glück bzw. Pech., oder es ist ein 特 (speziell) oder 超 (extrem) dabei. Bei 超 kann man also auch gleich rüber zum nächsten Tempel gehen und sich eine Urne aussuchen. Nur wenige Omikuji habe ein neutrales 平 als Option.

Wie westliche Horoskope bezieht sich das Ergebnis auf verschiedene Lebensbereiche:

  • 方角 .. hougaku; (un)günstige Richtungen (aus dem Feng Shui)
  • 願事 .. negaigoto; eigene Wünsche und Träume
  • 待人 .. machibito;  eine Person, auf die man wartet (?)
  • 失せ物 .. usemono; verloreren Gegenstände
  • 旅立ち .. tabidachi; Reisen
  • 商い .. akinai; Geschäftsabschlüsse
  • 学問 .. gakumon; Lernen/Studieren
  • 相場 .. souba; Marktspekulation
  • 争事 .. arasoigoto; Streitigkeiten
  • 恋愛 .. ren’ai; Liebesleben
  • 転居 .. tenkyo; Umzug (z.B. in eine neu Wohnung oder Stadt)
  • 出産 .. shussan; Geburt
  • 病気 .. byouki; Krankheit
  • 縁談 .. enda; Hochzeit
Ein Omikuji erwerben

Omikuji kann man für 100yen (unter 1€) kaufen. Die verbreiteste Art ein Los zu ziehen ist eine sechseckiger Zylinder, mit einem kleinen Loch. Den Zylinder schüttelt man, bis ein Holzstab mit einer Nummer herausfällt. Dann mimmt man den Zettel mit der Vorhersahe aus einem entsprechend nummerierten Fach (die Fähigkeit japansiche Zahlen zu lesen hilft).

Es gibt aber auch Abwandlungen mit nummerierten Kugeln in einer Trommel oder Automaten, bei denen der Zettel zusammengerollt direkt herausfällt. Einige Schreine haben auch eine große Schüssel aus der man, wie bei einer Tombola, ein zusammengefaltetes Omikuji zieht. — Ich persönlich warte ja noch auf die App mit Augmented Reality; Pokemon Style.

Man liest das Omikuji und hofft auf ein gutes. Dies kann man dann mit nach Hause nehmen. Ist es negativ, sollte man sofort reagieren.  Am Besten knotet man es an eine Kiefer, die passend gleich irgendwo neben der „Omikujiausgabe“ zu finden ist.

Kiefer (matsu) ist im Japanischen ein homophon mit dem Verbstamm von warten (matsu / matchimasu). Man hofft also, dass das angeknotete Unglück an der Kiefer wartet/verweilt und einem damit nicht wiederfährt. Wer auf Nummer sicher gehen will (z.B. bei sehr großem Unglück), kann zur Sicherheit gleich neben an ein Omamori kaufen (300-1200yen).

Was nicht erlaubt ist, ein zweites Los zu ziehen. Das Ergebnis ist von den Göttern gesagt. Und die Götter sollte man nicht durch ein zweites Los verärgern, damit man damit ja quasi ihre erste Wahrsagung anzweifelt. — Ganz ehrlich: Wie soll das Ergebnis schon werden, wenn man erst Pech als Ergebnis bekommt und dann sein offensichtlich nicht vorhandenes Glück mit einem zweiten Los auf die Probe stellt?

Eine Kiefer oder was anderes

Nicht immer ist es eine Kiefer, an die man schlechte Omikuji knotet und nicht immer ist das Omikuji ein einfacher Zettel. Und hier werden Omukuji auch für Leute spannend, die keines gekauft haben: Sie ergeben ein schönes Fotomotiv.

Die gezeigten Bilder sind nahezu alle Treffer aus meiner Datenbank (knapp ein Dutzend bei 36.000 Bildern aus Japan). Ich habe irgendwie immer nur die Ema fotografiert und nie die Omikuji. Sie sind halt so alltäglich, dass ich sie als Fotomotiv ignoriert habe.

Es gibt teilweise sehr kreative Ansätze für die Befestigung. Ich habe da schon Seile gesehen, Lattenrosten und andere Gestelle. Zu Neujahr, wenn tausende in die Schreine Pilgern, um für das neue Jahr zu beten und dabei auch ein Omikuji zu kaufen, ist es wichtig, die Besucherströme zu koordinieren und zu leiten. So enstand vermutlich die Idee die Seile, die die Wartschlange sortieren, als Befestigung für Omikuji zu wenden. Jetzt in der Pandemie hat ein Schrein in Kobe Bögen über die Gehwege aufgestellt, um so die Besucherströme zu entzerren. [Link]

Die coolsten Omikuji habe ich in Amanohashidate gesehen. Hier sind sie auf kleine Fächer gedruckt. Diese an eine Kiefer geknotet sind ein echter Eyecatcher. (groß im Foto zu sehen ist ein Omikuji für mittleres Glück. Das hängt man normalerweise nicht an die Kiefer)

By the way … Mit dem Anstieg ausländischer Touristen in den 2010ern startete auch der Boom der englischen Omikuji. In Tokyo sind diese am Meiji Jingu und am Senso-ji zu finden. In Koyto bekommt man englische Omikuji am Kinkaku und auf dem Gelände des Fushimi Inari Taisha (allerdings nur am dort befindlichen Araki Shrine).

[erstellt 03.02.2021]