Archiv der Kategorie: 8 .. Tokyo Eye on Sakura

Es scheint wahr zu sein. Ich habe alle wirklich interessanten Orte besucht. Aber ich habe es geschafft auch dieses Jahr eine Mischung als Bekannten und Neuen zu kombinieren, eine Mischung als Großstadt und Dorf, Festivals, Kirschblute und ländliche Idylle. Ich werde alte bekannte Treffen und neue Ideen … Und ich habe ein Tag Reserve, wo ich nach Minamisoma (oder ganz nahe dorthin) fahren könnte. Der Ort exisiert nicht mehr (Tsunami) und liegt nur ein paar Kilometer enfernt vom Reaktor Fukushima.

Kitakami

Heute steht der Wechsel nach Morioka an. Da sich in den letzten Wochen immer wieder gezeigt hat, dass ich ein paar Tage zu spät für die Kirschblüte bin, ziehe ich den Besuch in Kitakami vor. Das Gepäck lasse ich bis heute im Hotel. Dann muss ich zwar zurück und es holen, aber der heutige Zeitplan ist extrem entspannt. Das passt schon.

Kitakami hat außer den Kirschbäumen nur ein Freilichtmuseum zu bieten, aber da war ich schon. Ich weiß noch, dass das Fährboot von mir aus gesehen rechts und die Brücke links ist. Ich verzichte auf eine Karte. Außerdem ist der Weg ausgeschildert.

Von weitem denke ich erst, dass die Blüte schon am Ende ist. Unter den Bäumen stehend ist zu erkennen, dass die Blüte auf Maximum (vielleicht 1-2 Tage drüber) ist. Treffer. Gut, dass ich Kitakami vorgezogen habe. Ab morgen soll es regnen, dann wird das hier binnen Stunden vorbei sein. Dennoch – und ich weiß nicht warum – hatte ich mehr erwartet.

Ich laufe erst ein Stück unter den Bäumen entlang. Dann fällt mir ein, dass ich noch kein Frühstück hatte und begebene mich zum Parkplatz am Ende der Baumallee. Wenn es so ist wie 2008, dann gibt es hier ein paar Matsuri-Futterbuden … hoffentlich ohne Panflöten-Inka.

Ich finde einen Oden-Stand. Dieses Gericht scheint das Leitthema dieser Reise zu sein; letztes Mal war es Ramen. Von der Terasse sehe ich einen Bootsanlager in einer kleinen Bucht. Ich glaube ich werde eine gemütliche Bootsfahrt machen; ein paar Bilder vom Wasser aus.

So ein wirklich gutes Motiv kann ich vom Wasser aus nicht erkennen. Zumindest nicht mit den Kirschbäumen. Die Koi-Nobori, die in zwei Bahnen über den Fluss gespannt sind, sind eine andere Sache. Sie hängen so tief, dass sie das Wasser berühren. Das Boot fährt genau zwischen ihnen hindurch. Aber die Fahrt war auch bezüglich Kirschblüte nicht vergebens. Es gibt halt auch Gesamteindrücke, die man nicht auf CCD bannen kann.

Es folgt eine Fußmarsch unter den Bäumen zur anderen Seite. Hier gibt es noch mal ein paar Futterstände. Aber: Keine Mülleimer. Das ist mir schon vorhin aufgefallen. Ich verstehe, dass Japaner ihren Müll mit nach Hause nehmen. Aber was soll ich, oder ganz allgemein alle Touristen machen? Japan Rail wird sich bedanken. Für mich gilt schon seit längerem: Keine Mülleimer, kein Kauf. Darunter leiden die Standbeistzer, aber da meine Stimme nicht gehört wird, mache ich das zu derem Problem.

Über die Brücke wechsel ich zur anderen Uferseite. Hier gibt es noch ein paar Chancen für ein gutes Foto. Danach geht es im leichten Zickzack zurück zum Bahnhof.

Auf dem Weg zurück nach Sendai stoppe ich in Ichinoseki. Von hier soll ein Bus zum Tempel fahren, den ich 2008 bei meiner Reise nach Hiraizumi ausgelassen habe. Der Tempel war (und ist) so weit außerhalb, dass er nicht zu Fuß von Hiraizumi aus erreicht werden kann ohne dafür den ganzen Tag zu opfern.

Der Plan geht nicht auf. Ichinoseki ist tot. Leichenstarre. Nix. Keine Fahrgäste. Kaum Personal. Und sonst nix. Ich finde keine Bushaltestelle. Nicht mal einen Laden, wo ich nach dem Weg fragen könnte. Ich gebe sofort auf. Zurück ins Hauptgebäude, Bento kaufen und auf den nächsten Shinkansen (erst in einer Stunde !) warten. In der Zeit fährt nicht einmal ein Local nach Sendai. Auch nach Hiraizumi fährt nichts. Ich bin für die nächsten 60 Minuten gestrandt. Na das ist ein Dämpfer auf die Moral; hatte mich schon gewundert, wann in diesem Urlaub der Tag kommt, wo gefühlt alles schief geht.

Zurück in Sendai stoppe ich in der Yakitori-Bar von gestern Abend. Ich bleibe dabei: Man kann in Japan in ein teures Restaurant gehen und es wird der Hammer sein. Definitiv. Aber in Japan ist selbst der Besuch der einfachsten Garküche eine Urlaubserinnerung. Heute probiere ich Rinderzunge (Foto). Man ist das lecker !!!! Ich bleibe länger als geplant. Als Getränk steht Hoppy ganz oben auf meiner Liste. Es ist kein richtiges Bier, aber auch kein Mineralwasser. Es ist einfach erfrischend und genau das richtige bei diesen Temperaturen.

Letzter Stop ist das Knight, die Hotel Bar. Das Tasting (ich wollte ursprünglich nur zwei Whisky testen) ufert etwas aus: Date, die Miyagikyo Destillery Limited Versionen Malty & Soft, Sherry & Sweet und Fruity &Rich, Miyagikyo Moscatel Wood Finish … Ich nehme einen der letzten Shinkansen nach Morioka. Es regnet, aber zum Hotel sind es nur 500m. Ich kann den Schriftzug vom Bahnsteig aus sehen. Das Unizo ist, verglichen mit dem Sendai Metropolitain, die Holzklasse. Ein kleiner Raum mit Bett und Shower Cubicle. Aber eigentlich ist es genau das was man braucht.

Aizu-Wakamatsu

Heute steht Aizu-Wakamatsu auf dem Plan. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass noch ein paar Reste der Kirschblüte zu sehen sind. Die Anreise ist im Prinzip einfach: Zuerst geht es mit dem Shinkansen runter nach Koriyama, eine Station südlich von Fukushima.

Von hieraus fährt der Local nach Aizu-Wakamatsu. Die Fahrt dauert etwas und ist komplett langweilig. Gut, man hat einen schönen Blick auf Mt. Bandai. An einer Station stehen Kirschbäume in voller Blüte. Sollte ich Glück haben?

Ich war schon zwei Mal in Aizu-Wakamatsu, und habe dennoch nicht alles gesehen. Der Bahnhof ist zur Hälfte ein Kopfbahnhof … daran kann ich mich gar nicht erinnnern. Mein Blick fällt sofort auf einen Zug mit besonderem Design: Es ist der Shiki-Shima; ein Zug der es mit jedem 5-Sterne-Hotel aufnehmen kann. Die Fahrt mit ihm kostet ein Vermögen. 5000€ aufwärts. Und dennoch ist dieser Zug auf Monate ausgebucht.

Erster Stopp in Aizu-Wakamatsu ist die Sake-Brauerei. Hier wird eine Führung angeboten; auf Japanisch. Die Tour ist auch relativ kurz und wenig technisch, allerdings ist mein Wissen über die Herstellung von Sake … ich sage mal … überdurchschnittlich.

Ein Stück zurück gab es kurzen, netten Straßenzug. Der Rest von Wakamatsu wirkt, wie die meisten japansichen Städte, verwittert und in die Jahre gekommen. Der Weg zur Burg ist weiter als ich dachte, aber egal. Irgendwo muss doch ein 7eleven (Geldautomat) zu finden sein. Japp. Kurz vor der Burg ist einer. Direkt an einem der Bushaltepunkte. Gut, dann war der Fußmarsch doch überflüssig.

Apropos flüssig. Ich laufe aus. Die Temperaturen sind der Hammer. Und der Sonnenbrand von gestern wird dadurch auch nicht besser.

An der Burg geht es rechts-links-rechts durch die Burgmauern. Aber. Die Kirschblüte ist vorbei. Alles weg. Alles. Obwohl ich damit gerechnet habe, bin ich doch ein wenig enttäuscht. Im Hof der Burg ist aber noch alles in vollen Gang. Es gibt Teezeremonien und eine kleine Ecke mit Matsurifutter. Die Optik der Stände ist auf altertümlich getrimmt, ähnlich wie bei Mittelaltermärkten in Deutschland. Die Stände passen damit gut zur Burg und den umgebenden Burgmauern. Ich lasse mich sogar dazu hinreißen, ein paar alte Sen-Münzen zu kaufen. Keine Idee was ich damit machen werde.

Da meine Idee für gute Sakura-Fotos hin ist, setze ich meine Tour fort, zum japanischen Garten. Er ist klein, aber durchaus einen Stopp wert, wenn man die Zeit übrig hat. Ich gönne mir nur einen Bustakt für den Besuch. Rückwirkend betrachtet war das zu knapp.

Es geht weiter zu Higashiyama Onsen am Südostende von Aizu-Wakamatsu; zwei Stationen hinter der Samurai-Residenz (Aizu Bukeyashiki), die ich 2008 besichtigt habe. Fazit: Der Ort hat es hinter sich. Gleich am Anfang steht des historische Ryokan, das man Fotos kennt. Es ist wirklich ein hübscher Anblick. Rundherum ist aber nur Beton. Ein Stück weiter ist ein enger Straßenabschnitt. Hier sind alle Häuser verlassen und teilweise schon zusammengestürzt. Es ist ein trostloser Anblick. Dahinter folgen weiterer Leerstand und Betonhotels. Alles macht einen heruntergekommenen Eindruck. Die Straßen sind leer. Man kann nur hoffen, dass es drinnen eine „schöne heile Onsen-Welt“ gibt. Zum Glück habe ich nicht hier gebucht.

Ich nehme den nächsten Bus zurück in die Zivilisation. Es ist noch Zeit für einen letzten Stop an der Helix-Pagode. Zuerst geht es mit dem Förderband nach oben zum Friedhof. Hm. Die Statue vom Samurai fehlt. Dafür finde ich Widmung mit eisernem Kreuz von 1935. In Deutschland hätte man diesen Gedenkstein, mit diesem Datum, sicherlich in der hintersten Ecke versteckt. *)

Die Pagode steht immer noch zu schief in der Landschaft wie vor 10 Jahren. Es bleibt eine der merkwürdigsten Pagodenkonstruktion, die ich kennen. Wieder zurück am unteren Ende der Treppen kaufe ich eine Tüte mit Süßkartoffelsstreifen und warte auf den Bus.

Direkt neben der Haltestelle steht ein Dosisleitungsmessgerät. Das ist ein Novum für mich. Ich weiß, dass ich in der Präfektur Fukushima bin und diese Gegend seit 3-11 Strahlung abgekommen hat. Aber das Meßgerät macht es irgendwie realer. Und … Ich traue diesem Wert nicht. Hochgerechnet sind es 0,48 mSv pro Jahr. 1/5 des Durschnittswertes für Deutschland.  Das kann nur richtig sein, wenn sie die natürliche Belastung vorher abgezogen haben und dies hier nur die zusätzliche Belastung ist, zumal die Strahlenlast in Tokyo bei 0,09 µSv/h liegt.

Mit dem vorletzten Bus für heute geht es zurück zum Bahnhof. Zeit für eine schnelles Ramen in einer Nudelküche Im Bahnhofsgebäude. Die Schüssel ist schnell geschlürft und ich nutze die Zeit für Souvenirshopping.

Es folgt die unspektakuäre Rückreise nach Sendai.


*) Der Friedhof bedarf einiger Erklärung. Hier liege die Byakkotai begraben. Dies waren 16 bis 17 Jahre alte Samuraischüler, die alle Seppuku begangen haben, als sie glaubten, dass der Feind ihre Burg eingenommen und ihren Lord getötet hatte. In der stark nationalistischen Zeit des frühen 20. Jahrhunderts war diese Byakkotai ein Inbegriff von Ehre und Pflichtbewusstsein, dass sogar bis nach Europa schwappte.

Es steht ein Gedenkstein des Deutschen Reiches hier, mit einer eher neutralen Inschrift: „Ein Deutscher, den jungen Rittern von Aizu“ und dem eisernen Kreuz als Symbol. Ohne die Jahresangabe 1935 würde man diesen Gedenkstein jetzt nicht besonders spannend finden.

Auf dem Friedhof befindet sich auch eine Säule mit einem Adler. Diese Säule ist eine von drei Säulen aus Pompei. Sie wurde von Moussolini gestiftet. Inschrift (übersetzt) „With undying respect, Rome, the mother of modern civilisation, dedicates this timeless tribute to the Byakkotai, under the authority of ancient Rome, that the pillar may stand as proof of the greatness of fascism for thousands years.“ Ok, ich sehe, woher Adolf seine Idee mit dem tausendjährigen Reich hatte.

Tendo

Heute geht es nach Tendo. Ein kleiner Ort, der in keinem Reiseführer auftaucht. Warum auch. Sehenswürdigkeiten gibt es keine. Aber: In Tendo werden 90% aller Shogi-Steine Japans hergestellt … und einmal im Jahr findet hier das Ningenshogi statt. Wie der Name sagt wird hier Shogi gespielt und die Spielsteine sind Menschen.

Vor dem Matsuri kommt aber die Anfahrt. Im Prinzip ist es ganz einfach: von Sendai aus geht es an Yamadera vorbei nach Uzen-Chitose und dort umsteigen und weiter nach Tendo. Klingt relativ einfach. Die Fahrt mit dem Lokal nach Uzen-Chitose zieht sich und zieht sich, auch wenn man die Fahrzeit kennt.

Uzen-Chitose als Umsteigebahnhof überrascht mich. Es gibt nur zwei Gleise und einen einzigen Bahnsteig auf dem eine kleine Wartehütte steht. Das wars. Punkt. Wenn ich den Fahrplan richtig lese, sind die beiden Bahngleise Zuglinien und nicht Fahrtrichtungen. Damit kommt mein Anschlusszug auf dem anderen Gleis und fährt dort in entgegengesetzter Fahrtrichtung, da er von Yamagata kommt.

Und dann kommt der Hammer: Eine Japanerin fragt, mit dem Smartphone in der Hand, den Schaffner nach dem Anschlusszug. Oh mann. Ich bin Ausländer, erst 60 Sekunden hier und habe schon die Antwort. Gut. Ohne Smartphone. Das war schon unfair. Die Erkenntnis des Tages lautet: Wenn die Lösung nicht bei Facebook und Co zu finden ist, scheint die Generation Smartphone hilflos zu sein.

Stopp. Ich war 2014 in Yamadera, bin aber zwischen Shoji und Yamagata mit dem Shinkansen gefahren. Dabei muss ich an Tendo und Uzen-Chitose vorbeigekommen sein. Das heißt aber auch … Japp. Das zweite Gleis ist Normalspur während des Gleis aus Sendai Kapspur ist. Das sieht man auch nicht oft. Zwei verschiedene Spurweiten an einem Bahnsteig.

Vom Bahnhof aus gibt es einen Shuttlebus. Zum Glück. Es geht gut bergauf. Die quetschen echt 22 Leute in diesen Bus: 4 nebeneinander; kein Mittelgang. Wow.

Oben angekommen sehe ich Matsuri-Stände, Kirschbäume in voller Blüte (!), bestes Wetter und die große Bühne in Form eines riesigen Shogi-Feldes. Gerade gibt es dort ein Taiko-Aufführung. So gefällt mir das. Wie bei einer Freilichtbühne gibt es auf der einen Seite eine Treppe/Sitzreihe. Der Blick auf die Bühne ist ideal und oben gibt es einen kleinen Park mit Kirschbäumen.

Gegen Mittag marschieren die Kindermannschaften ein. Ich hatte eine andere Vorstellung wie das aussieht: Ich dachte die Spieler treten in Shogisteinkostümen auf. Aber die „Figuren“ marschieren in Samurai-Uniformen ein. Der Spielstein selbst ist eine Holztafel mit Stativ, der neben dem Spieler auf dem Spielfeld steht. Der Kampf wird von der Seite professionell moderiert.

Ich folge dem Spiel und überlege, wie ich ziehen würde. Da keine meiner Überlegungen mit dem tatsächlichen Spielzug übereinstimmen, beschließe ich, mich auf das Fotografieren und das gute WEtter zu konzentrieren.

Es folgt eine Pause, die fürs Mittagessen nutze. Außerdem stöbere ich die Verkaufsstände durch. Die Shogisteinperise reichen von knapp 4.000yen (einfach, aber aus Holz) bis weit über 50.000yen (Edelhölzer, handgefertigt). Es wäre die Chance. Aber ich habe schon zwei Sets. Und ein bischen geizig bin ich dann doch.

Das zweite Match beginnt mit einer Vorgeschichte. Leider auf Japanisch. Aber der Daimyo hat wohl ein Problem, dass er durch den Kampf zweier Samurai klären lassen will. Nach einem kurzen Schwertkampf lassen die beiden Samurai ihre (Shogi)truppen auflaufen und der Shogi-Kampf beginnt. Geführt werden die Truppen von zwei Spielern in erhobenen Podien links und rechts vom Spielfeld.

Auch der zweite Kampf endet irgendwann und alle meine Überlegungen waren wieder falsch. Danach gibt es Zeit für ein paar Erinnerungsfotos.

Zurück zum Banhhof gehe ich zu Fuß. Schließlich geht es bergab und ich will noch ein paar Stopps bei Läden machen, die Shogisteine verkaufen. Aber ein Set, dass mich überzeugt Geld auszugeben, finde ich nicht.

Überall finde ich überall Hinweise auf Shogi. Seien es Schilder in Shogisteinform oder Briefkästen in Shogisteinform. Selbst auf dem Gehweg finden sich Shogibretter und Figuren. Ich erfahre dass das Brett, auf das ich gerade schaue, eine berühmtes Shogi-Problem darstellt. Es sieht so simpel aus (Matt in drei Zügen), aber jeder Zug wird durch einen Gegenzug unbrauchbar gemacht. Das Problem ist echt kniffelig.

Am Bahnhof gibt es auch noch ein kleines Shogimuseum. Leider fehlt mir die englische Version der Texte, so muss ich mich auf das Schauen reduzieren. Der Rücksturz zur Basis erfolgt um 17 Uhr. Damit bleibt genug Zeit für ein elegantes Abendessen im Metropolitain.

Ich ordere ein 4-Gänge-Menü und Rotwein. An die Rechnung denke ich jetzt erst einmal nicht. Der letzte Gang ist wie 2008 Creme Brulee; am Tisch flambiert. … Das ist übrigens auch der Grund, warum ich das Metropolitan gebucht habe. Das und die Knight-Bar, die heute geschlossen (private event) hat.

Baseball

Gestern war ein langer Tag. Das wird heute ausgeglichen. Fürstliches japanisches Frühstück um 8 Uhr. Danach geht’s ins Onsen, schließlich ist dies ein Onsen-Hotel. Der Check-out erfolgt um 10 Uhr. Bereits jetzt ist die Idee mit dem Abstecher zur Miyagikyo Destillery gekippt. Ich bin in Kamiyamada also wird dieser Ort erkundet.

Es war nur eine Nacht mit später Ankunft und es war nur als Notfallplan gedacht, falls am Pass was schief gegangen wäre, aber die Nacht hat sich gelohnt.

Ich laufe zunächst etwas durch die Stadt. Sie macht einen verträumten und auch auchgeräumten Eindruck. Ich finde sogar das Kameisei Ryokan, das auf japan-guide erwähnt wurde. Es sieht genauso gut aus wie auf dem Foto.

Dann geht es steil bergauf. Und es ist heiß. Meine Herren. Nach einer gefühlten Ewigkeit (ich glaube er waren volle 500m) stehe ich oben am Schriftzug, den ich gestern Abend hab leuchten sehen. Das ist etwa Halbzeit. Es geht weiter. Es folgt eine kleiner Tempel in einer scharfen Rechtskurve. Ergibt ein gutes Fotomotiv ab.

Nach meiner Karte sollte ich gleich am Eingang zur Rekonstruktion einer alten Festungsanlage (Aratojo Castle) aus der Zeit der streitenden Reiche stehen. Das hier sieht aber falsch aus. Die Straße ist halb zubewuchert. Das Gebäude rechts ist total verfallen. Hier war doch seit 20 Jahren keiner mehr. Die Alternative geht weiter steil bergauf. Ich gehe mal weiter.

Tatsächlich führt mich der Weg zum Kassenhäuschen. Ich erfahre, dass es hier mal eine Art Wildtier-Zoo/Park gab. Das waren die Gebäude an denen ich vorbeikam. Das Ding vor etlichen Jahren pleite. Etwas irritierend ist, dass der Kartenverkäufer ein Fan von deutscher Musik ist; zumal ich bei diesem Thema total blank bin.

Der Festungsanlage ist nicht groß, aber wie man auf den Fotos sieht ganz passabel und der Ausblick ist wirklich gut. Von hier oben sehe ich auch mein Hotel und das Onsen auf dem Dach. Hm ….

Es folgt der Aufstieg. Knapp 100 Höhenmeter auf einer Straße mit 18% Steigung, ähm Gefälle. Klingt einfach, aber bei dieser komischen Hitze (Luft wie kurz vor einem Gewitter) ist selbst abwärts kein Spaß. Zurück am Hotel sammle ich meine Koffer ein, bedanke mich noch mal für den Aufenthalt (das Hotel wirkt zwar etwas in die Jahre gekommen, aber der Service war extrem gut und das Onsen hat nach dem Pass wirklich entspannt) und lasse mich mit dem Taxi zum Bahnhof bringen.

Am Bahnhof habe ich etwas Rerservezeit, die es mir erlaubt den Zug auf dem anderen Gleis näher zu betrachten. Es sind nämlich drei Speisewagen. Das wars. Nur Speisewagen. Es ist der Rokumon, den ich umgehend auf meine Liste für 2020 setze. Das Prinzip ist einfach: Eine Zugfahrt lang Gourmetküche.

Um 13 Uhr bringt mich der Local nach Ueda, wo ich in den Shinkansen umsteige. Ein weiterer Wechsel folgt in Omiya und dann bin ich auch schon in Sendai. Das Metropolitan ist direkt am Bahnhof und hat echt alles: Begrüßungskommitee, Page, Liftboy und mit einem Zimmer im 15. Stock einen guten Ausblick.

Es ist erst 18 Uhr. Ich gehe zur Touristeninfo und frage, ob heute noch was in Sendai anliegt. Als ob ich es geahnt hätte. Gerade jetzt fängt ein Baseballspiel der Rakuten Eagles an. Das sind mit der U-Bahn nur 2 Stationen. Auf geht’s.

Ich bin zum Anfang des dritten Inning an meinem Sitzplatz, habe ein Bier in der Hand und die Stimmung ist super. Das Bier wird hier übrigens direkt am Sitzplatz gezapft. Überall läuft Personal mit einer Rucksackzapfanlage herum. Und es gibt Auswahl: Asahi, Kirin und Sapporo. Man muss nur auf das richtige Fass warten.

Das Spiel endet mit einem knappen Sieg für die Eagles. Zwischendurch gab es choreografierte Fangesänge und diese Nummer mit den Luftballons am Ende des 7. Inning. Aber das schönste: Keine Randale. Weder während noch nach dem Spiel.

Zurück im Hotel gönne ich mir noch ein Stop in der Knight Bar. Hier war ich schon 2008. Perfekt gestylte Barkeeper in einer dunklen, stilvollen Bar, dazu etwas teure Drinks. Aber für einen Manhattan sollte es reichen. Den 30-jährigen Hibiki würde ich gerne testen, aber das Glas (15ml) kostet 10.000yen (etwa 80€). Nein Danke. Obwohl, so dicht komme ich wieder an diesen Tropfen …. Nein.

Da ich das Schlafdefizit von vorgestern offenbar immer noch nicht ausgeglichen habe, ist jetzt Feierabend. Für einen Hotelwechseltag mit viel Zugfahrt war das eine ziemlich gute Ausbeute. Ich bin zufrieden und hundemüde.

Tateyama-Kurobe-Pass

Heute also geht es über den Tateyama-Kurobe-Pass. Im Internet konnte ich alles lesen: von „kein Problem“ bis „Wartezeiten bis zu drei Stunden an der Seilbahn“. Der Pass hat erst vor ein paar Tagen geöffnet. Der Ansturm wird daher sehr extrem erwartet. Ich habe mich daher entschieden früh zu starten.

Der Wecker klingelt um 4 Uhr. Um 4:40 Uhr stehe ich bereits mit Koffern vor der noch geschlossenen Bahnstation. Gerade noch rechtzeitig, denn innerhalb der nächsten 10 Minuten formt sich eine Warteschlange von knapp 100 Leuten. Wow. Die wollen alle mit dem ersten Zug fahren.

Um 5 Uhr öffnet die Bahnstation. Zum Glück hatte gestern schon die Basisinformationen gesammelt. Erster Stopp ist der Ticketschalter, dann geht es weiter zur Kofferaufgabe und sofort weiter in den Zug. Ich bekomme einen der letzten Sitzplätze.

In Tateyama muss ich das Web-Ticket gegen das Original tauschen. Das war denkbar einfach, da nur wenige Leute ein Web-Ticket haben. Die meisten haben die Japan-Rail-Pass-Variante und müssen ein normales Ticket kaufen und Schlange stehen. Ein weiterer Vorteil meines Tickets ist die Boarding Time. Damit ist mir ein Platz in der Schrägbahn sicher. Alle ohne so eine Zeitangabe müssen auf Restplätze hoffen.

Ich vermute, von hier stammt die Warnung mit den 3 Stunden Wartezeit. Ich jedenfalls bin bereits um 07:10 Uhr am Busterminal. Der Bus soll erst um 7:40 Uhr fahren, aber so wie es aussieht starten die, sobalb genug Leute für einen Bus zusammen sind. Die Fahrt geht 1 Stunde bergauf in ein Winterlandschaft. Bereits auf halber Strecke ist die Schneewand neben der Straße 2-3m hoch und sie wird immer höher. Kurz vorm Ziel wird dann der „Snow Corridor“ angekündigt. Und ja, das ist Schnee. Eine Menge Schnee.

Da der Corridor erst ab 09:30 Uhr für Fußgänger öffnet habe ich Zeit für Onsen. Nur ein paar Meter entfernt befindet sich das höchste Onsen Japans. Der Weg ist aber alles andere als einfach. Die 500m könnten lange dauern. Der Schnee hat sich durch tagelanges Antauen und Frieren in Eis verwandelt. Ich komme trotz meiner Wanderschuhe nur sehr langsam voran. Aber 50€ für Schneeketten (ja die kann man hier kaufen) oder Spikes habe ich jetzt auch nicht übrig.

Das Onsen ist klein und teuer (700yen) aber lohnt sich. Gut, den onsentypischen Schwefelgeruch muss man mögen oder zumindest ertragen. Er ist sehr intensiv. Das im Reiseführer ebenfalls umworbene Jigokudani ist derzeit wegen der Gaskonzentration sogar gesperrt, und gleich um die Ecke. Vom Onsen aus hat man einen genialen Ausblick über die Schneelandschaft. Daran kann man sich wirklich gewöhnen.

Um  10 Uhr stehe ich im Schneekorridor. Das sind haushohe Schneewände. Der höchste Punkt misst aktuell 17m. Ich habe extra einen Bus fotografiert, wie er durch den Korridor fährt, damit man die Höhe abschätzen kann. Und selbst das täuscht auf den Fotos noch.

Bei den ganzen Bussen fällt mir ein, dass mit jedem Bus weitere 50 Leute angespült werden; nicht eingereichnet die Leute, die von Kurobe aus mit dem Tunnelbus kommen.

Also weiter zur nächsten Station bevor sich lange Schlangen bilden. Auch jetzt und bei den folgenden Fahrtabschnitten bewährt sich der Ansatz: 10-15 Minuten vorher Schlange stehen sichert einen guten Sitzplatz. Der Tunnelbus wird hier Trolley Bus genannt und ist ein Oberleitungsbus. Dieselabgase in dem Tunnel wären auch keine gute Idee. Dann geht es mehrere hundert Meter abwärts mit einer Seilbahn und wieder durch einen Tunnel. Dieses Mal mit der Cable Car. Man endet eigentlich direkt auf der einen Seite des Kurobedamms.

Der Stausee ist jetzt im April noch nicht komplett gefüllt. Die Schneeschmelze beginnt ja erst. Dennoch ist die höhe des Damms beeindruckend. Man muss zu Fuß auf die andere Seite. Dort gibt es eine Pause mit „themenbasiertem“ Mittagessen. Und dann weiter mit einem weiteren Trolley Bus.  Die Fahrt im Tunnel dauer 13min. Ein Bus bringt einem vom Endpunkt runter ins Tal zur Bahnstation.

Das war er also, der Tateyama-Kurobe-Pass. Ich habe es vielleicht etwas gehetzt, aber ich glaube ich bin vor der großen Touristenwelle vorweggeschwommen. Ich habe eigentlich nie lange Warten müssen und immer gleich die erste Weiterfahrt erwischt. Bei den Besuchermassen, die mir entgegengekommen sind, glaube ich nicht, dass das in einer Stunde noch so sein wird, wenn die Rückreisewelle startet.

In Nagano gibt es dann Abendessen bevor es mit dem Local in den Onsenort geht. Schon am Bahnhof riecht man den Schwefel. Das Ryokan ist sehr traditionell. Die Dame des Hauses trägt Kimono. Eine Tafel am Eingang begrüßt die neuen Gäste. Auch mein Name steht dort. Meine Koffer werden mir gleich am Eingang abgenommen. Die stehen dann schon im Zimmer, nachdem ich dorthin eskortiert wurde.

Ich bin zwar todmüde, aber eine, zwei Runden Onsen müssen sein.


Hintergrundinformationen
(lagere ich später in eine eigene Seite aus)

Kurobe-Talsperre: Mit 186m ist es die Talsperre mit der höchsten Sperrmauer in Japan. Es ist eine Bogenstaumauer. Während des Baus starben über 200 Arbeiter.

Tateyama-Tunnel-Trolleybus: Es ist einer der beiden Oberleitungsbusse auf der Strecke der Tateyama Alpine Route. Es sind gleichzeitig die einzigen Oberleitungsbusse in Japan überhaupt. Der Bus fährt mit 600V und gilt als Eisenbahn. Die 3,7km lange Fahrtrecke ist komplett unterirdisch und führt unter dem Mt. Tateyama entlang.

Kanden Tunnel Trolleybus: Dies ist der zweite Oberleitungsbus Japans. Auch er fährt mit 600V. Die Fahrstrecke ist 6,1km, wovon 5,8km unterirdisch sind. Der Tunnel diente damals Als Versorgungsweg zum Bau der Kurobe-Talsperre. Auch er gilt rechtlich als Eisenbahn.