Archiv der Kategorie: 8.4 .. Fukushima bis Hirosaki

Hier versuche ich die Kirschblüte einzuholen und treffe auf alte bekannte: Aizu-Wakamatsu, Sendai und Kakunodate. Neu in der Liste ist Hirosaki und die Tsunami-Zone.

Aizu-Wakamatsu

Heute steht Aizu-Wakamatsu auf dem Plan. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass noch ein paar Reste der Kirschblüte zu sehen sind. Die Anreise ist im Prinzip einfach: Zuerst geht es mit dem Shinkansen runter nach Koriyama, eine Station südlich von Fukushima.

Von hieraus fährt der Local nach Aizu-Wakamatsu. Die Fahrt dauert etwas und ist komplett langweilig. Gut, man hat einen schönen Blick auf Mt. Bandai. An einer Station stehen Kirschbäume in voller Blüte. Sollte ich Glück haben?

Ich war schon zwei Mal in Aizu-Wakamatsu, und habe dennoch nicht alles gesehen. Der Bahnhof ist zur Hälfte ein Kopfbahnhof … daran kann ich mich gar nicht erinnnern. Mein Blick fällt sofort auf einen Zug mit besonderem Design: Es ist der Shiki-Shima; ein Zug der es mit jedem 5-Sterne-Hotel aufnehmen kann. Die Fahrt mit ihm kostet ein Vermögen. 5000€ aufwärts. Und dennoch ist dieser Zug auf Monate ausgebucht.

Erster Stopp in Aizu-Wakamatsu ist die Sake-Brauerei. Hier wird eine Führung angeboten; auf Japanisch. Die Tour ist auch relativ kurz und wenig technisch, allerdings ist mein Wissen über die Herstellung von Sake … ich sage mal … überdurchschnittlich.

Ein Stück zurück gab es kurzen, netten Straßenzug. Der Rest von Wakamatsu wirkt, wie die meisten japansichen Städte, verwittert und in die Jahre gekommen. Der Weg zur Burg ist weiter als ich dachte, aber egal. Irgendwo muss doch ein 7eleven (Geldautomat) zu finden sein. Japp. Kurz vor der Burg ist einer. Direkt an einem der Bushaltepunkte. Gut, dann war der Fußmarsch doch überflüssig.

Apropos flüssig. Ich laufe aus. Die Temperaturen sind der Hammer. Und der Sonnenbrand von gestern wird dadurch auch nicht besser.

An der Burg geht es rechts-links-rechts durch die Burgmauern. Aber. Die Kirschblüte ist vorbei. Alles weg. Alles. Obwohl ich damit gerechnet habe, bin ich doch ein wenig enttäuscht. Im Hof der Burg ist aber noch alles in vollen Gang. Es gibt Teezeremonien und eine kleine Ecke mit Matsurifutter. Die Optik der Stände ist auf altertümlich getrimmt, ähnlich wie bei Mittelaltermärkten in Deutschland. Die Stände passen damit gut zur Burg und den umgebenden Burgmauern. Ich lasse mich sogar dazu hinreißen, ein paar alte Sen-Münzen zu kaufen. Keine Idee was ich damit machen werde.

Da meine Idee für gute Sakura-Fotos hin ist, setze ich meine Tour fort, zum japanischen Garten. Er ist klein, aber durchaus einen Stopp wert, wenn man die Zeit übrig hat. Ich gönne mir nur einen Bustakt für den Besuch. Rückwirkend betrachtet war das zu knapp.

Es geht weiter zu Higashiyama Onsen am Südostende von Aizu-Wakamatsu; zwei Stationen hinter der Samurai-Residenz (Aizu Bukeyashiki), die ich 2008 besichtigt habe. Fazit: Der Ort hat es hinter sich. Gleich am Anfang steht des historische Ryokan, das man Fotos kennt. Es ist wirklich ein hübscher Anblick. Rundherum ist aber nur Beton. Ein Stück weiter ist ein enger Straßenabschnitt. Hier sind alle Häuser verlassen und teilweise schon zusammengestürzt. Es ist ein trostloser Anblick. Dahinter folgen weiterer Leerstand und Betonhotels. Alles macht einen heruntergekommenen Eindruck. Die Straßen sind leer. Man kann nur hoffen, dass es drinnen eine „schöne heile Onsen-Welt“ gibt. Zum Glück habe ich nicht hier gebucht.

Ich nehme den nächsten Bus zurück in die Zivilisation. Es ist noch Zeit für einen letzten Stop an der Helix-Pagode. Zuerst geht es mit dem Förderband nach oben zum Friedhof. Hm. Die Statue vom Samurai fehlt. Dafür finde ich Widmung mit eisernem Kreuz von 1935. In Deutschland hätte man diesen Gedenkstein, mit diesem Datum, sicherlich in der hintersten Ecke versteckt. *)

Die Pagode steht immer noch zu schief in der Landschaft wie vor 10 Jahren. Es bleibt eine der merkwürdigsten Pagodenkonstruktion, die ich kennen. Wieder zurück am unteren Ende der Treppen kaufe ich eine Tüte mit Süßkartoffelsstreifen und warte auf den Bus.

Direkt neben der Haltestelle steht ein Dosisleitungsmessgerät. Das ist ein Novum für mich. Ich weiß, dass ich in der Präfektur Fukushima bin und diese Gegend seit 3-11 Strahlung abgekommen hat. Aber das Meßgerät macht es irgendwie realer. Und … Ich traue diesem Wert nicht. Hochgerechnet sind es 0,48 mSv pro Jahr. 1/5 des Durschnittswertes für Deutschland.  Das kann nur richtig sein, wenn sie die natürliche Belastung vorher abgezogen haben und dies hier nur die zusätzliche Belastung ist, zumal die Strahlenlast in Tokyo bei 0,09 µSv/h liegt.

Mit dem vorletzten Bus für heute geht es zurück zum Bahnhof. Zeit für eine schnelles Ramen in einer Nudelküche Im Bahnhofsgebäude. Die Schüssel ist schnell geschlürft und ich nutze die Zeit für Souvenirshopping.

Es folgt die unspektakuäre Rückreise nach Sendai.


*) Der Friedhof bedarf einiger Erklärung. Hier liege die Byakkotai begraben. Dies waren 16 bis 17 Jahre alte Samuraischüler, die alle Seppuku begangen haben, als sie glaubten, dass der Feind ihre Burg eingenommen und ihren Lord getötet hatte. In der stark nationalistischen Zeit des frühen 20. Jahrhunderts war diese Byakkotai ein Inbegriff von Ehre und Pflichtbewusstsein, dass sogar bis nach Europa schwappte.

Es steht ein Gedenkstein des Deutschen Reiches hier, mit einer eher neutralen Inschrift: „Ein Deutscher, den jungen Rittern von Aizu“ und dem eisernen Kreuz als Symbol. Ohne die Jahresangabe 1935 würde man diesen Gedenkstein jetzt nicht besonders spannend finden.

Auf dem Friedhof befindet sich auch eine Säule mit einem Adler. Diese Säule ist eine von drei Säulen aus Pompei. Sie wurde von Moussolini gestiftet. Inschrift (übersetzt) „With undying respect, Rome, the mother of modern civilisation, dedicates this timeless tribute to the Byakkotai, under the authority of ancient Rome, that the pillar may stand as proof of the greatness of fascism for thousands years.“ Ok, ich sehe, woher Adolf seine Idee mit dem tausendjährigen Reich hatte.

Tendo

Heute geht es nach Tendo. Ein kleiner Ort, der in keinem Reiseführer auftaucht. Warum auch. Sehenswürdigkeiten gibt es keine. Aber: In Tendo werden 90% aller Shogi-Steine Japans hergestellt … und einmal im Jahr findet hier das Ningenshogi statt. Wie der Name sagt wird hier Shogi gespielt und die Spielsteine sind Menschen.

Vor dem Matsuri kommt aber die Anfahrt. Im Prinzip ist es ganz einfach: von Sendai aus geht es an Yamadera vorbei nach Uzen-Chitose und dort umsteigen und weiter nach Tendo. Klingt relativ einfach. Die Fahrt mit dem Lokal nach Uzen-Chitose zieht sich und zieht sich, auch wenn man die Fahrzeit kennt.

Uzen-Chitose als Umsteigebahnhof überrascht mich. Es gibt nur zwei Gleise und einen einzigen Bahnsteig auf dem eine kleine Wartehütte steht. Das wars. Punkt. Wenn ich den Fahrplan richtig lese, sind die beiden Bahngleise Zuglinien und nicht Fahrtrichtungen. Damit kommt mein Anschlusszug auf dem anderen Gleis und fährt dort in entgegengesetzter Fahrtrichtung, da er von Yamagata kommt.

Und dann kommt der Hammer: Eine Japanerin fragt, mit dem Smartphone in der Hand, den Schaffner nach dem Anschlusszug. Oh mann. Ich bin Ausländer, erst 60 Sekunden hier und habe schon die Antwort. Gut. Ohne Smartphone. Das war schon unfair. Die Erkenntnis des Tages lautet: Wenn die Lösung nicht bei Facebook und Co zu finden ist, scheint die Generation Smartphone hilflos zu sein.

Stopp. Ich war 2014 in Yamadera, bin aber zwischen Shoji und Yamagata mit dem Shinkansen gefahren. Dabei muss ich an Tendo und Uzen-Chitose vorbeigekommen sein. Das heißt aber auch … Japp. Das zweite Gleis ist Normalspur während des Gleis aus Sendai Kapspur ist. Das sieht man auch nicht oft. Zwei verschiedene Spurweiten an einem Bahnsteig.

Vom Bahnhof aus gibt es einen Shuttlebus. Zum Glück. Es geht gut bergauf. Die quetschen echt 22 Leute in diesen Bus: 4 nebeneinander; kein Mittelgang. Wow.

Oben angekommen sehe ich Matsuri-Stände, Kirschbäume in voller Blüte (!), bestes Wetter und die große Bühne in Form eines riesigen Shogi-Feldes. Gerade gibt es dort ein Taiko-Aufführung. So gefällt mir das. Wie bei einer Freilichtbühne gibt es auf der einen Seite eine Treppe/Sitzreihe. Der Blick auf die Bühne ist ideal und oben gibt es einen kleinen Park mit Kirschbäumen.

Gegen Mittag marschieren die Kindermannschaften ein. Ich hatte eine andere Vorstellung wie das aussieht: Ich dachte die Spieler treten in Shogisteinkostümen auf. Aber die „Figuren“ marschieren in Samurai-Uniformen ein. Der Spielstein selbst ist eine Holztafel mit Stativ, der neben dem Spieler auf dem Spielfeld steht. Der Kampf wird von der Seite professionell moderiert.

Ich folge dem Spiel und überlege, wie ich ziehen würde. Da keine meiner Überlegungen mit dem tatsächlichen Spielzug übereinstimmen, beschließe ich, mich auf das Fotografieren und das gute WEtter zu konzentrieren.

Es folgt eine Pause, die fürs Mittagessen nutze. Außerdem stöbere ich die Verkaufsstände durch. Die Shogisteinperise reichen von knapp 4.000yen (einfach, aber aus Holz) bis weit über 50.000yen (Edelhölzer, handgefertigt). Es wäre die Chance. Aber ich habe schon zwei Sets. Und ein bischen geizig bin ich dann doch.

Das zweite Match beginnt mit einer Vorgeschichte. Leider auf Japanisch. Aber der Daimyo hat wohl ein Problem, dass er durch den Kampf zweier Samurai klären lassen will. Nach einem kurzen Schwertkampf lassen die beiden Samurai ihre (Shogi)truppen auflaufen und der Shogi-Kampf beginnt. Geführt werden die Truppen von zwei Spielern in erhobenen Podien links und rechts vom Spielfeld.

Auch der zweite Kampf endet irgendwann und alle meine Überlegungen waren wieder falsch. Danach gibt es Zeit für ein paar Erinnerungsfotos.

Zurück zum Banhhof gehe ich zu Fuß. Schließlich geht es bergab und ich will noch ein paar Stopps bei Läden machen, die Shogisteine verkaufen. Aber ein Set, dass mich überzeugt Geld auszugeben, finde ich nicht.

Überall finde ich überall Hinweise auf Shogi. Seien es Schilder in Shogisteinform oder Briefkästen in Shogisteinform. Selbst auf dem Gehweg finden sich Shogibretter und Figuren. Ich erfahre dass das Brett, auf das ich gerade schaue, eine berühmtes Shogi-Problem darstellt. Es sieht so simpel aus (Matt in drei Zügen), aber jeder Zug wird durch einen Gegenzug unbrauchbar gemacht. Das Problem ist echt kniffelig.

Am Bahnhof gibt es auch noch ein kleines Shogimuseum. Leider fehlt mir die englische Version der Texte, so muss ich mich auf das Schauen reduzieren. Der Rücksturz zur Basis erfolgt um 17 Uhr. Damit bleibt genug Zeit für ein elegantes Abendessen im Metropolitain.

Ich ordere ein 4-Gänge-Menü und Rotwein. An die Rechnung denke ich jetzt erst einmal nicht. Der letzte Gang ist wie 2008 Creme Brulee; am Tisch flambiert. … Das ist übrigens auch der Grund, warum ich das Metropolitan gebucht habe. Das und die Knight-Bar, die heute geschlossen (private event) hat.