Shirakawago und Ainokura

Mit dem Taxi geht es zum Bahnhof. Ob das mit der Reservierungsnummer geklappt hat Wo ist der Bus? Der Busfahrer meint, ich hätte ein Ticket holen müssen. Au. Das klingt nach einem Problem. Aber der Sitzplatz ist für mich freigehalten. Ich kann dann doch beim Fahrer zahlen. Das ist gerade noch einmal gut gegangen. Mit der Fahrt in Richtung Norden sieht man immer mehr Schnee. Habe ich doch Glück? Bisher war ich für Winterwetter immer einen Monat zu früh.

Ogimachi ist ein Traum in weiß. Die Temperaturen sind um die Null Grad und der Schnee schmilzt allerorst in der Sonne. Es liegt genug. Das hält bis zum Abend. Über eine extrem dünne Betonbrücke geht es auf die anderen Flußseite. Die alten Häuser sind hoch mit Schnee bedeckt und wirken wie in den Schnee eingesunken. Ich wandere durch das Dorf. (So änhlich würde wohl Gothmund im Schnee aussehen.) Ich finde den Wanderweg zum Aussichtspunkt, der eigentlich gesperrt ist. Egal. Ich riskiere es und komme gut durch, trotz Schnee und Eis. Die Aussicht von oben ist toll. Man sieht das ganze Dorf, nur die moderne Straße rechts stört.

Wieder zurück im „Tal“ laufe ich noch etwas durch die verschneiten Gassen. Mit der Zeit im Nacken, kommt nur begrenzt Urlaubsstimmung auf. Die Stunden sind schnell vorbei. ich eile zurück über die Betonbrücke, um den Koffer zu holen. Dann erneut über die Brücke, da der Bus nach Ainokura doch auf der anderen Seite fährt. Ich war mir vorhin nicht sicher, habe aber die Haltestelle vorhin gefunden. Kanji lesen hilft. Mit Koffer ist die Brücke schon schwierig. Sie ist vereist und ich rutsche mehr als daß ich gehe. Am Ende der Brücke brauche ich drei Anläufe, um ein kleines, steiles Wegstück hinauf zu kommen.

An der Haltestelle angekommen bleiben noch zwei Minuten für einen Dosenkaffee und Postkarten. Der Bus ist wie immer in Japan auf die Minute pünktlich. Ich und ein Japaner sind die einzigen Fahrgäste. Ein Gespräch mit dem Busfahrer hat Hauptsatzenglisch und Hauptsatzjapanisch als Basis. Ich bin immer „Doitsujin“. Wir stoppen immer wieder auf freier Strecke, an alten Häusern und kleinen Tempeln, damit ich Fotos machen kann. Echt cool.

In Ainokuraguchi  steige ich aus und bedanke mich mehrmals. Der Bus ist weg und ich stehe irgendwo im nichts. Ein Schild weist den Weg. 300m durch den Schneematsch ist mit dem Koffer gar nicht so einfach. Am Dorfeingang ein Parkplatz. Der Parkplatzwächter drückt mir eine Karte in die Hand. Das Choyomon ist ganz am Eingang; was für ein Glück. Wie in Ogimachi ist auch hier alles zugeschneit. Der Schnee liegt 1m hoch.

Ich öffne die Tür, gehe hinein und rufe „sumimasen“. Eine ältere Frau erscheint und begrüßt mich. Schuhe aus und rein in die gute Stube. Sie zeigt mir sofort meinen Schlafplatz; mit einer gefühlten Raumtemperatur von 8 Grad. Der Atem bildet kleine Wolken. Dann gibt es eine Schale Tee am offenen Feuer im Wohnzimmer; gemütlich aber kalt. Ein kleiner Brenner mit ordentlich Schub dient als Heizung. Ich lese das Schild: „Kein Benzin einfüllen! Nur mit Kerosin betreiben!“ Das ist mal ne Ansage.

Um 14:45 zieht es mich nach draußen; Fotos machen. Ainokura ist klein. Nach einer halben Stunde hat man alles gesehen, also kann man sich viel Zeit lassen und die Szenerie genießen. Es gibt nur dieses verträumte kleine Dorf im Nichts. Alle Wege aus dem Dorf heraus in die Berge sind zugeschneit und unpassierbar. Ich besuche das lokale Museum in einem der Häuser. Es gibt nur wenige, aber sehenswerte Exponate. Man kann mit einer Leiter in die zweite Etage. Die Dachkonstruktion ist erstaunlich. Es werden keine Nägel verwendet Alles ist mit Seilen verknotet. Das Reet ist zweilagig aufgetragen.

Dann geht es den Berg hinauf zu einem Aussichtspunkt. Der Weg ist zwar unter Schnee begraben aber gerade noch so eben passierbar. Die Sicht auf das Dorf ist gut. Ich werde in der Dämmerung einen zweiten Anlauf machen. Der Weg führt laut Karte auf die andere Dorfseite. Aber nicht für mich. Ein paar Meter hinter dem Aussichtspunkt sacke ich bis über die Knie in den Schnee ein.

Also zurück ins Dorf. Btw, das Wetter ist bombig. Schon den ganzen Tag Sonne pur. Ich schleiche durch das Dorf und stoppe in einem kleinen Laden für Souveniers und Nihonshu (Sake) zum Aufwärmen. Gegen 16:30 fängt es an zu dämmern und Mond geht gerade auf. Ein perfektes Bild, aber nicht wirklich im Foto festhaltbar. Die Lichtverhältnisse erfordern ein Stativ und HDR.

In fortgeschrittener Dämmerung gehe ich wieder hoch zum Aussichtspunkt. Ich baue einen kleinen Schneeberg als Stativersatz. Ich glaube, mir sind ein, zwei gute Aufnahmen gelungen. Beim Abstieg ins Dorf sehe nur weiß. Der ganze Schnee in der Dunkelheit; wo ist der Weg? Ich taste mich langsam voran, nach dem Prinzip: geht der Schnee bis zum Knie, bin ich vom Weg abgekommen.

Ich bin pünktlich zum Abendessen zurück zum Choyamon. Am offenen Feuer wird bereits Fisch gegrillt. Ein zweiter Gast trifft ein. Die Mutter der Hausbesitzerin setzt sich zu uns; so eine richtige Obasan. Zum Glück kann der Japaner etwas für mich dolmetschen, sonst wäre ich aufgeschmissen. Nach 5 Worten bin ich immer raus.

Der Abend verläuft in gemütlicher Runde. Im Fernsehen läuft „Sasuke’s Rising“. Es erinnert ein wenig an Takeshi’s Castle, ist aber auf Kraft und Ausdauer angelegt. Die Show geht bis 22 Uhr. Dann ist es Zeit für ein heißes Bad. Das kann ich jetzt gebrauchen. In der Zwischenzeit bringt der Kerosinbrenner mein Schlafzimmer auf Temperatur.

Ich entschließe mich zu einer letzten Runde durch das Dorf. Wir haben fast Vollmond. Es ist also nicht zu dunkel. Und ruhig ist es. Totenstille. Ich höre keine Autos. Nichts. Etwas Wind. Man hört das Wasser plätschern. Der Flußlauf ist etwas entfernt und realitv klein. Dennoch ist er zu hören. In Ainokura kann man (nur) entspannen.

Die Nacht ist mit Unterbrechungen behaftet: Alle drei Stunden schaltet sich die Heizung aus Sichherheitsgründen ab. Binnen Minuten wird es kalt. Ich werde automatisch wach. Ein Druck auf die Starttaste für weitere 3 Stunden Wärme.

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