USA 13 – Tectonic Hopping II

 2023 war ich für ein Jahre in den USA. Mein Idee war es wöchentlich zu bloggen. Das Leben in den USA kam dazwischen. Es ist einfach zu viel passiert. In 2024 habe ich es
  vergessen. Also werde ich die Blogbeiträge jetzt in 2025 wochenweise einstellen.

DEU

Ich bin schon mehrfach von einer Platte auf die andere gewechselt: u.a. auf meinen Reisen nach San Francisco und Los Angeles. Und wenn man weiß, wo die der Graben verläuft, kann man ihn nicht nur sofort auf einer Karte erkennen, sondern auch in der Landschaft erahnen.

San Juan Bautista — Die Reise beginnt auf H-1 in Richtung Norden. Wie auf einer Fahrt nach San Francisco geht es zunächst auf kurz H-156 und dann auf den H-101. Der Weg führt durch Berge und dann zweigt der Ostteil des H-156 ab. Gleich dahinter passiere ich den San Andreas Graben. Man erkennt nichts.

In San Juan Bautista gibt es ein Straßenfest. Verdammt. Mein Zeitplan ist heute so eng, dass ich keine Chance habe, es zu besuchen. Mein Ziel ist die Mission San Juan Bautista1. Die Kapelle befindet sich fast genau auf dem Graben.

Pinnacles National Park — Ich verlasse die Stadt auf H-156 in Richtung Hollister. Dann geht es auf H-25 gen Süden. Die Straße folgt dem San Andreas Graben und wechselt dabei mehrere Male die Kontinentalplatte. Der erste Wechsel ist auf Höhe des Willow Creek Cemetery. Hier kreuzt die Straße einen kleinen Fluss. Ich kann mir gut Vorstellen, dass der Fluss im San Andres Graben liegt.

Ein paar Meilen später erreiche ich die Einfahrt zum National Park. die Warteschlange ist lang. Es könnte gut eine Stunde dauern, bis ich einen Parkplatz habe. Ich gebe schnell auf.

Warum wollte ich hierher? Die Berge im Pinnacles National Park sind vulkanischen Ursprungs und etwa 23 Millionen Jahre alt. Es ist aber nur die Hälfte des Vulkans. Die andere Hälfte ist immer noch in der Nähe von Los Angeles; der Neenach Vulkan

Auf nach Parkfield — Weiter geht es auf  H-25. Mein nächstes Ziel ist Parkfield. Kurz unter dem Nationalpark verläuft der H-25 fast genau auf der Verwerfung. Die Landschaft ist einmalig.  Verkehr ist kaum vorhanden, so kann ich immer wieder anhalten und Fotos machen.

H25 endet am H198, aber der Weg nach Parkfiled Junction ist gesperrt. Rechts geht es nach San Lucas, zurück zum H101; ein 30 km Umweg. Keine Ahnung ob Peach Tree Road eine bessere Wahl ist. Ich probiere es einfach. Ich hoffe, dass es irgendwo einen Abzweiger gibt, den google nicht anzeigt und der keine Privatstraße ist. Bis dahin genieße ich die Landschaft.

Es gibt keinen Abzweiger. Ich muss runter bis kurz vor H-101 auf Höhe San Miguel. Hier kann ich von der Indian Valley Rd auf die Vineyard Canyon Rd abzweigen, die mich zurück nach Parkfield bringt. Es geht steil bergauf von 760 ft rauf auf 2400 ft (500 Höhenmeter). Ich bin jetzt 730 m ü.N.N. Oben angekommen geht es rechts ab, direkt nach Parkfield.

Parkfield — Warum Parkfield? Dieser Ort hat eine Brücke direkt über den San Andreas Graben. Und für alle Nerds gibt es auf beiden Seiten der Brücke ein Hinweisschild: Entering North Amercian Plate bzw. Entering Pacific Plate.

Ich laufe mehrfach über die Brücke. Wechsel von einer tektonischen Platte der Erdkruste auf die andere. Stehe in der Mitte. Dann gehe ich kurz runter zum Fluss. Ja, es wird nasse Füße geben, aber ich muss es versuchen: Gleichzeitig auf zwei tektonischen Platten stehen. Vielleicht habe ich das schon vorher. Aber hier bin ich mir 100% sicher, dass ich direkt auf dem San Andreas Graben stehe.

James Dean Junction — Ich folge der Cholame Rd, die der Verwerfung folgt, bis sie an am H-41/H-46 endet. Nach halber Strecke kommt wieder eine Sperrung. Dieses Mal ignoriere ich die Warnung. Die Straße ist vom Cholame Creek überflutet. Es sieht aber nicht tief aus. Ich riskiere es. Ich fahre jetzt nicht zurück und verliere knapp 2 Stunden. Der Highway ist nur 3 km entfernt. Zwei Regeln: Kein Wasser in den Luftfilter bekommen (also nicht zu schnell, damit eine Bugwelle den Motorraum flutet) und genug Drehzahl, damit der Auspuff nicht voll Wasser läuft.

Am Highway angekommen stehe ich nur weniger Meter entfernt von James Dean Junction, der Kreuzung an der der Schauspieler mit seinem Porsche tödlich verunglückte.

Bitterwater Rd — Ich fahre ein 2 Meilen in Richtung H-101 zur Bitterwated Rd. Die Straße liegt für einige Kilometer fast genau auf der Verwerfung. Und ich kenne diese Straße. WinterOwl und ich haben sie damals auf dem Weg nach LA benutzt, als wir den Stau umfahren haben. Irgendwann verlässt die Straße den Graben und biegt nach Süden ab. Danach geht es auf H-58 zwischen riesigen Solaranlagen hindurch nach Simmler. Hier ist nichts los. Aber die Straße folgt mit rechtwinkeligen Kurven ein unsichtbaren Schachbrett (man kann es auf google maps erkennen). Die Region ist komplett flach. Ich bin auf der pazifischen Kontinentalplatte. Am Horizont sehe ich die Berge, die durch die Kollision mit der nordamerikanischen Platte aufgeschoben hat.

Wallace Creek — Kurz bevor die Straße in diese Berge führt zweige ich zum Wallace Creek Interpretive Trail ab Er liegt in der Carrizo Plain nahe Soda Lake. Der Parkplatz ist etwa 200m vom Ende er pazifischen Platte entfernt. Die Steigung die ich sehe ist bereits auf der nordamerikanischen Platte. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber ich finde die Idee cool. Ich befinde mich auf einer anderen Kontinentalplatte als der Aussichtspunkt, zu dem ich jetzt wandere.

Ich bin wegen eines Flusslaufes hier, der von einer Platte auf die andere fließt. Der Teil auf der pazifischen Platte verschiebt sich natürlich mit 6 cm pro Jahr2. Das hat dazu geführt, dass der Fluß direkt auf der Verwerfung nach rechts abknickt, um etwa 20 m später nach links knickt, um dem verschobenen Flusslauf zu folgen. Ich habe das in google Maps von oben gesehen. Aber es etwas völlig anderes, es live zu sehne. Das ist Plattentektonik eindrucksvoll visualisiert.

Und rein statistisch bewegt sich auf mein Auto gerade mit 6 cm pro Jahr an mein Standpunkt vorbei gen Norden.

Elkorn Scenic Overview — So langsam wird die Zeit knapp, bzw. das Sonnenlicht. Ich will es mindestens bis zum Tejon Pass schaffen. Mit für die Straßenverhältnis hoher Geschwindigkeit (30-40 km/h) folge ich der Elkhorn Rd die parallel zu Verwerfung (etwa 1 km entfernt auf der nordamerikanischen Platte) folgt. Links von mir sind Berge. Sie sehen faltig aus, wie ein Teppich, den man zusammengeschoben hat. Das Navi sagt, dass ich eine Stunde bis zum Elkorn Scenic Overview brauche. Mal sehen, ob ich die Zeit unterbieten kann, und wenn ja um wie viel. Jedes Mal, wenn ich glaube, etwas schneller fahren zu können, sehe ich riesige Schlaglöcher. Wenn ich eines davon übersehe kann ich ernsthaft die Radaufhängung oder die Felge zerlegen. Und ich habe keine Ahnung wie ich AAA (die US-Version des ADAC) beibringen kann, wo ich bin. Mobilfunknetz ist auch Null. Endlich bin ich an der Elkhorn Grade Rd. Zeit sieht gut aus. Der Wagen ist noch in einem Stück.

Auf zur Interstate 5 — Am Lookout angekommen ist der Blick etwas … sagen wir, ich hatte mehr erwartet. Ich schaue hinunter ins Central Valley. Jetzt geht es durch die Bergkette auf der nordamerikanischen Seite der Verwerfung und hinunter ins Central Valley. Der Lookout lag auf 2.400 ft. Maricopa, der Ort am Fuß der Berge liegt auf 800 ft. Es geht also knapp 500 Höhenmeter bergab. Unten angekommen sind die Berge hinter mir und vor mir ist alles flach. Und der H-166 ist geht stur geradeaus. 35 km ohne eine einzige Kurve, nicht einmal eine Bodenwelle. Nach den hochkonzentrierten 90 Minuten, die hinter mir liegen, kann ich etwas Langeweile gebrauchen.

Links sehe ich Ölfelder. Rechts die Berge der zusammengeschobenen nordamerikanschen Platte. Der San-Andreas-Graben macht hier einen Schwenk, sodass die Platte nicht gut aneinander vorbeigleiten, sondern auch zusammengschoben werden, wodurch sich die Berge aufgetürmt haben, die Los Angeles von Central Valley trennen.

Auf der I-5 angekommen wird die Zeit nun wirklich knapp. Bald ist Dämmerung. Ich fahre Richtung LA. Und es geht bergauf. Der Tejon Pass liegt auf 4200 ft (1280 m über N.N.). Die Berge selbst kratzen an der 4800er-Marke.

Tenjon-Pass — Das ist dann meine letzte Station. Die Dämmerung setzt ein. Einen Abstecher zum Frasier Park schaffe ich nicht mehr. Aber der Tenjon-Pass ist ein guter, krönender Abschluss. Wenn man die I-5 verlässt und auf die Ralphs Ranch Rd wechselt, kann man direkt am Tejon Pass anhalten und sich anschauen, wie zwei Kontinentalplatten aufeinander liegen.

Kein Witz. Hier kann man wirklich sehen, wie sich die Pazifikplatte auf die nordamerikanische Platte geschoben hat. Das Gestein der geologisch älteren Pazifikplatte ist gräulich und liegt auf dem ockerfarbenen Gestein der nordamerikansichen Platte, die geologisch jünger ist.

Von hier zum Neenach-Vulkan sind es etwa 35 km. Wie weiter oben erwähnt ist dies der fehlende Teil vom Pinnacle-Vulkan, der etwa 320 km entfernt ist.

Rückreise — Das heißt auch, dass vor mir noch weit über 320 km  Heimreise sind.  Das Navi sagt 400 km. Ich überlege kurz, ob ich mir ein Motel schnappen soll. Verdammt. Geht nicht. Heute ist Sonntag. nach einem Tankstop. Und Gegessen habe ich heute auch noch nichts. Ich hole mir ein paar Burger bei Wendy’s. Aus irgendeinem Grund sind die Burgerpatties quadratisch. Gestärkt und mit Dr.Pepper ausgerüstet geht es auf die Heimreise.

Erst 73 Meilen (1 Stunde) auf der I-5 an Bakersfield vorbei bis Lost Hill und dann 64 Meilen (1 Stunde) auf den H-46 bis El Paso de Robles. So langsam werde ich müde. Jetzt kommen die 90 Meilen (1.5 Stunden) auf H-101.  All diese Entfernungen klingen so kurz. Aber mit dem Ansatz 60 Meilen in 60 Minuten kann man gut umrechnen. Und auf einmal fühlen sich 90 Meilen lang an.

Endlich erreiche ich den Abzweiger in Salinas. jetzt ist es wie Hamburg-Lübeck. Heimattrecke. Endspurt. Ich habe es geschafft. Ich bin daheim. Was für ein Tag. Die Landschaft war so unterschiedlich. Das Wetter war genial. Sonnenschein pur. Und ich glaube viel mehr kann man vom San-Andreas-Graben nicht erwarten. Ich habe sicherlich ein paar Orte übersehen. Und um alles nördlich von San Juan Bautista kümmere ich mich an einem anderen Tag.

Nach Tacho waren es 320 Meilen bis zum Tejon-Pass und 255 Meilen zurück. Das macht umgerechnet 925 km. WOW. Viel mehr war wirklich nicht drin.

ENG

  1. San Juan ist der spanische Name von Johannes, der Täufer. Die Mission ist eine von 23
  2. Das heißt jetzt nicht, dass man jedes Jahr 6 cm messen kann. Das ist ein Durschschnittswert. die Platte können sich verhaken und für Jahre oder Jahrzehnte nicht verschieben, bis sich die dabei aufbauende Spannung mit einem Erdbeben entlädt. Beim Erdbeben, das 1906 San Francisco den Erdboden gleich gemacht hat, ist die pazifische Platte binnen Sekunden um über 5.5 m gesprungen.
  3. San Juan is the Spanish name of John the Baptist. The mission is one of 23
  4. That doesn’t mean you can measure 6 cm every year. This is an average value. The plates can get stuck and not shift for years or decades until the tension that builds up is released in an earthquake. In the 1906 earthquake that leveled San Francisco, the Pacific plate jumped more than 5.5 m within seconds