Archiv der Kategorie: 東京

Keine Region im eigentlichen Sinne. Tokyo gehört zu Kanto. Ich bezeichne also Tokyo aber gerne das Areal, das man schnell mit dem Zug von Ueno/Tokyo erreichen kann. Über „Was ist Tokyo?“ läßt sich streiten. Genau genommen ist es nur das Gebiet am Kaiserpalast. Die Präfektur ist ein weiter gefaßtes Tokyo. Das Ballungsgebiet Tokyo ist wiederum großer als die Präfektur. Bei mir fallen auch Yokohama und Chiba in die „Region Tokyo“. Kamakura und Hakone sind hingegen Kanto.

Tokyo / Der zweite Marsch

Ich bin die letzten beiden Tage zu viel gelaufen. Meine Füße sind platt. Und ich habe einseitig Sonnenbrand. Der muß von vorgestern sein. Ich bin fast immer nur in Richtung Westen gelaufen. Heute ist der zweite Marsch durch Tokyo. Dieses mal nehme ich aber die U-Bahn und morgen geht es mit dem Shinkansen nach Oosaka. Da habe ich etwas Erholung. Auf meiner heutigen Liste stehen: Kaiserpalast, Meiji Outer Shrine, Shinjuku Gyoen, Tokyo Tower, Zojiji, Ginza.

Der Ostgarten ist geschlossen. Zu dumm. Also laufe ich einmal um das Palastgelände herum. Der Weg ist an sich langweilig. Hier gibt es nicht zu sehen. Ein kleiner Park im Norden, dann die Takebashi, ebenfalls geschlossen. Weiter geht es auf der Südseite um das Gelände herum. So langsam begreife ich, wie groß das Areal ist, wie hoch die Mauern sind. Überall Kameras. Links an der Mauer ist es grün. Rechts auf der anderen Straßenseite stehen Hochhäuser. Der Bürobereich Kasumigaseki. Ich betrete den Platz vor der Brück Nijubashi. Es ist ein Postkartenmotiv. Vor der Brücke eine riesige Bank und professionelle Fotografen. Man war nicht in Tokyo, wenn man nicht von sich und der Nijubashi ein Foto hat. Ohne die Kirschblüte scheint aber etwas zu fehlen. Dennoch hat die Brücke was.

Ich drehe mich um. Das hatte ich nicht erwartet. Eben noch der Blick auf das Herz des alten Edo, sehe ich jetzt die moderne Skyline vom heutigen Tokyo. Entrückt. Zwischen den Häusern und mir ist eine Fläche mit grauem Schotter und ein Rasenstreifen mit Bäumen. Es wirkt so aufgeräumt und mit dem Hintergrund so unwirklich. Diese riesige leere Fläche und dahinter dicht an dicht diese Bürotürme. Daß sich Tokyo so einen Leerstand erlaubt. Wow. Was muß dieser Parkstreifen wert sein. Ich erinnere mich an die Story aus der Zeit der Bubble Economy. Das Gelände des Kaiserpalastes hatte den gleichen Immobilienwert wie der US-Staat Kalifornien. Man braucht ein paar Sekunden. Ich bin eben um ein Grundstück herumgelaufen, daß Milliarden wert war. Was kostet dann wohl der Rasen unter einem dieser Bäume?

Auf der anderen Straßenseite liegt der Hibiya-Park. Ich hatte mir ehrlich gesagt etwas mehr erhofft. Es ist grün. Ein Teich mit Springbrunnen. Aber irgendwie europäisch. Nach Reiseführer gibt es in Kasumigaseki ein Hochhaus mit Aussichtsebene. Ich finde es nicht. Dafür aber die U-Bahnstation. Von hier fährt die Chiyoda-Linie nach Harajuku, dem unteren Eingang zum Meiji-Schrein. Vielleicht hat er heute geöffnet.

Ab in den Untergrund. Hier stehe ich vor dem Fahrkartenautomat wie der berühmte Ochs‘ vorm Berg. Oben eine Karte mit dem Streckennetz. Für jede Zielstation ein anderer Preis. Auweia. Ein Japaner hilft mir bei der Kartenauswahl. Eigentlich doch ganz einfach. Er hat auch noch einen Tip für mich: Lieber zu billig kaufen. Nachzahlen kann man am Ausgang. Das ist gut zu wissen. Am Zielort angekommen trennt mich nur noch eine Straße vom Schrein. [Nachtrag: Was ich nicht weiß ist, daß linker Hand das Olympia-Gelände und hinter mir die Omotesando ist. Beide Orte sind für Architekten ein muß. Die Omotesande ist ferner die neue Ginza: Gucci, Armani, Boss, alle sind sie hier vertreten]

Der Weg führt in ein Waldgebiet. Der Lärm von Tokyo weicht Blätterrauschen. Diese Schreine sind wirklich nicht Teil von Tokyo, scheint es. Der Weg führt an einem Regal mit Sakefäsern vorbei. Es sind Gaben für die Götter. Der Weg selbst ist mit grauem Schotter bedeckt, überall stehen Steinlaternen. Die Bäume sind riesig.

Links geht es in einen Park. Kostet Eintritt und nicht gerade wenig. Ich habe keine Lust. Das Wetter ist auch nicht das Beste: Es ist wolkig; sieht nach Regen aus. Dann kommt der Schrein ins Blickfeld. Die Gebäude sind aus schwarzem Holz. Es gibt keine bunten Verzierungen wie in Kamakura. Die Ende der Balken sind weiß gestrichen. Einziger Kontrast zum Rest. Vielleicht wirkt deshalb alles so sakral. Ich schreite durch das Tor. Nicht ohne vorher die Hände mit Wasser gereinigt zu haben. Das ist im Shinto brauch. Hand und Mund können Böses tun und werden deshalb vor dem betreten gereinigt. Nebeneffekt: Es erfrischt.

Ich stehe auf einem großen Platz. Grauer Schotter. Wege sind markiert. Der Platz ist eingezäunt. Zwei große Bäume stehen links und rechts der Haupthalle. Von hier kann man einen weiteren Platz sehen. Für Besucher ist hier Schluß. Das Gebiet hinter der Absperrung ist nur den Priestern zugänglich. Ich verlasse das zentrale Areal durch eines der Seitentore und laufe über das Areal. Schön ruhig hier. Im Norden gibt eine Wiese mit Teich und einem weiteren Gebäude. So weit ich das sehe wird hier Kyodo geübt.

Der Ausgang im Nordosten spült mich zurück in die Straßen von Tokyo. Es sind etwa 1,5km bis zum Shinjuku Gyoen. Er kostet Eintritt. Der Park ist ganz ok: Waldgegend. Teiche, Wiesen. Etwas trist jetzt im September; im Frühjahr sicherlich ein Kracher. Die Ansicht ist schon gewöhnungsbedürftig: Ich stehe auf einer Anhöhe, unter mir ein riesiger Teich und eine Wiese. Hinter dem Teich ein Wald und dahinter die Skyline von Tokyo. Es wirkt so weit weg und es sind dennoch nur etwa 200m. Ich laufe zum Westausgang. Hie ist die Parkanlage sehr europäisch: mit Wegen und grünen Flächen. Alles ist Symmetrisch. Wie in einem Schloßgarten.

Weiter zum Meiji Outer Garden. Er ist fast schon enttäuschend. Dominiert wird er von Sportstadien (Olympia). Dann weiter zum Imperial Garden, den ich fast komplett umrunde, bevor mir klar wird, daß er für Normalsterbliche nicht zugänglich ist. 3km vergebens. Aber die Straßen waren schön. Hier standen sogar Bäume. Sie sind richtig aufgefallen.

Ich setze mich in die U-Bahn und fahre zum Tokyo Tower. Er ist groß und orange. Der Eintritt zur Aussichtsplattform kostet 10€. Das ist mit dann doch etwas zu viel. Trotzdem: Das Wahrzeichen von Tokyo ist abgehakt. Nebenan soll es den Zojiji Tempel geben. Die Straße runter, dann rechts. Ein Friedhof. Hier bin ich falsch. Also zurück. Dann stehe ich am richtigen Eingang zum Zojiji. Der Tempel ist sehenswert. Allerdings fehlt im das gewisse etwas. Er kann mit Kamakura nicht mithalten.

Ich laufe zu Fuß (ich Depp) bis nach Shiodome. Von hier fährt ein Bahn über die Tokyo Rainbow Bridge ins Hafengebiet. Hier soll ein neues Tokyo entstehen. Das Gelände ist künstlich. Die ersten Gebäude stehen schon. Irres Design. Diese Treppen und diese Kugel. Ich vermute ein Restaurant im inneren. Viel los ist hier nicht. Um das Gebäude herum steht so gut wie nichts. Ich quere die Autobahn. Und dann immer geradeaus. Hier ist echt nichts los. Ein Brücke. Wenn man überlegt, daß sie zwei Landteile verbindet, die es vor ein paar Jahren noch nicht gab. Das Ziel sind zwei Gebäude. Eigentlich eines: Tokyo Big Seito. Aber dort angekommen doch eher enttäuschend. Vielleicht liegt es auch daran, daß meine Akkus jetzt komplett leer sind. Mein Füße wollen nicht mehr. Also kurze Pause bei einem Caramel Macchiato von Starbucks. Anschließend geht es zurück nach Odaiba. Auf dem Weg dorthin sehe ich noch ein  Areal, das gerade aufgeschüttet wird. Tokyo wächst immer weiter ins Wasser.

Es geht mit der Bahn zurück über die Brücke. Ich laufe die Ginza hinauf. Eine Shopping-Straße pur. Viel los ist hier nicht. Sicherlich liegt es mit an der Uhrzeit. Es ist 18 Uhr und die Dämmerung klaut mir das Licht für Fotos. Sicherlich ist hier Sonntags mehr los. Dem Reiseführer nach ist die Straße dann für den Autoverkehr gesperrt. So ganz glauben kann ich das nicht. Die ist 6-spurig und sicher wichtig.

Auch wenn es nur zwei Stationen sind nehme ich die Bahn zum Hauptbahnhof. Hier gibt es die unterirdische Stadt Yeasu. Eigentlich sind es Verbindungsgänge zwischen den verschiedenen U-Bahn-STationen, dem Bahnhof und mehreren Bürogebäuden und Kaufhäusern. Ein Netzwerk von unterirdischen Wegen, die beidseitig Geschäfte und Kneipen haben. Das ist wirklich eine kleine Stadt untertage. Ich vermute, man kann in Tokyo leben ohne jemals an die Oberfläche zu müssen. Das ist riesig hier unten.

Randnotizen:

  • Kurz bevor ich am Hotel bin, fängt es an zu regnen. Glück gehabt.
  • Wetter morgen: Oosaka und Tokyo über 30°C, Wolken, vereinzelt Regenschauer
  • Taifun zieht unter Honshu entlang Richtung Festland. Das hier sind die Ausläufer.
  • Asakusa-Tempel fehlt noch.
  • Ginza am Sonntag kollidiert mit den Plänen für Nikko.
  • Schon wieder den Yasukuni vergessen.
  • Verkehr auf dem Expressway war enorm: 6 Spuren in eine Richtung und Stau.
  • Im TV läuft gerade ein Bericht über die Alpen. Ist schon komisch wie die Japaner Deutschland sehen (Deutschland=Bayern). Dazu gibt es Blasmusik, einen kleinen Deutschkurs und den Hinweis, daß der neue Toyota „Raum“ heißt.

Tokyo / Fußmarsch am Tag 1 (Teil 2)

Ich muß nur noch der Meiji Dori folgen. Es geht bergab und es ist nicht mehr so heiß. Aber der Tag hat seinen Tribut gefordert. Ich bin platt. Rechts ein Tempel. Ein letzter Stop auf der Karte bevor ich in Shibuya bin. Die Straße geht jetzt bergab und endet direkt an der Kreuzung mit den beiden großen Bildschirmen.

Shibuya. Die Kreuzung ist wie im Fernsehen. Zwei riesige Bildschirme. Beide mit Ton. Es ist laut, bunt, chaotisch. Kein Wunder, daß dies zum Inbegriff, zum Wahrzeichen des modernen Tokyo wurde. Shibuya ist ein Amusement District. Kneipen, Cafes, Spielhallen, Rotlichtbezirk. Einzig den Love Hotel Hill finde ich nicht. Oder ich bin dran vorbei ohne es zu merken. Überall junge Japaner, die mit Handzetteln für Kneipen mit „Service Charge“ werben. Andere stehen mit großen Fahnen und Megaphon auf der Straße; Sonderangebote bei Elektronladen nebenan. Fast jede Kneipe hat eine CD-Player auf der Straße für Beschallung, also für die Beschallung der Straße. Wow. Es ist laut und so viele Leute. Die Straße ist voll wie in Lübeck Diskotheken zur Spitzenzeit. Noch lauter und noch heller wird es, wenn man einen Pachinko-Laden passiert. Diese japanische Glücksspielvariante wird sich einem Europäer nie erschließen. Man wirft kleine Kugeln in ein Gerät, dort fallen sie dann runter, kollidieren mit Hindernissen und wenn sie im richtigen Loch verschwinden, gibt es noch mehr kugeln. Ich hatte als Kind so etwa. Aus Holz. Ich wage es nicht hinein zu gehen. Lautstärke und Lichteffekte sind kurz vor der Auslösung epileptisher Anfälle.

Alles konzentriert sich um den Bahnhof. In Shibuya Eki (Eki = Bahnhof) kreuzen sich mehrere Bahn- und U-Bahn-Linien. Er ist das Zentrum. So wie es aussieht hat Tokyo nicht ein Stadtzentrum, sondern mehrere. Jeder große Bahnhof bildet ein Zentrum.

Das Publikum ist in Shibuya ist jung. Ich sehe jetzt um 19 Uhr Jugendliche in Schuluniform. Waren die noch nicht zu Hause oder ist das ein Fashion Statement? Ich vermute: Die Freizeit wird in Bahnhofsnähe verbracht. Dazu die Business Men mit ihren dunklen Anzügen und Krawatte. Auf dem Weg nach Hause oder in die Kneipe. So wie es aussieht ist keiner in Tokyo um 19 Uhr zu Hause.

Um 21 Uhr immer noch das gleiche Bild. Ich trete langsam den Rückzug an. In der U-Bahn bestätigt sich meine Beobachtung von gestern: Schlafen, auf seine Schuhe schauen, Manga lesen oder ganz leise und hinter vorgehaltener Hand telefonieren. Es ist ruhig.

Schnappschüsse

Hier eine Reihe von Dingen, die mir aufgefallen sind. Ich konnte sie irgendwie nicht in den Text einbauen.

  • Feuerwehrautos — Sind die süß. Ich kannte diese kleinen japanischen Mini-Vans, aber daß dieses Prinzip auch auf Feuerwehrautos angewendet wird. Ich bin fast versucht den Gürtelclip an dem Wagen zu suchen. Staffelfahrzeug. Keine Ahnung wie die alle in das Auto passen.
  • Privatenwagen — gibt es nur in Extremen. Entweder diese Minihütten oder große Schlitten. Honda baut was, das auf dem Niveau eines 5er BMW spielt.
  • Motorroller — groß, Doppelsitz, oft getunt, daß die Heide wackelt.
  • Getränkeautomaten — überall. Es muß hunderte geben in Tokyo. Es ist unglaublich; und ein Segen bei diesem Wetter. Der Preis für eine Flasche liegt bei 100yen bis 150yen, also knapp 1€. Es gibt alles: Tee, Fruchtsaft, Cola, Engergydrinks. Ich habe bei diesem Wetter bestimmt schon 1000yen getrunken.
  • Tempel — Es gibt kleinste Tempel und Schreine an jeder Ecke. Meist sind sie etwas verteckt zwischen oder hinter 2 modernen (häßlichen) Häusern. Aber sie existieren noch.
  • Raum — Japaner sind Platzsparer. Jeder Quadratmeter wird irgendwie genutzt. Es gibt hier Geschäfte, die sind gerade mal groß genug für den Besitzer. Man kauft durch das offene Fenster.
  • Fußwege — sind schmal. Radfahrer nutzen die Fußwege. Die Häuser haben keine Vorgärten. Die Haustür ist quasi auf dem Gehweg.
  • Häuser — Viele Häuser haben einen Grundfläche von vielleicht 5x5m, sind dafür aber mehrere Etagen hoch.
  • Müll — wird mit Schiffen in die Tokyo Bucht gefahren und dort zu neuen Inseln aufgeschüttet. Das mit Inseln könnte ein Gerücht sein, das mit den Müllschiffen stimmt.
  • Taxi — Die Taxen haben automatische Türen. Man steigt hinten ein. Die Sitze haben Bezüge aus weißer Spitze. Sieht aus wie die gute Tischdecke von Oma. Aber das Taxi wirkt dadurch vornehmer. Der Faher trägt Anzug und Handschuhe. Einigen tragen sogar eine Chaffeurmütze. Aber es gibt so gut wie keine jungen Taxifahrer. Alle scheinen 50+ zu sein.

Fazit: Ich habe die Maßstäbe von Tokyo total unterschätzt. Das waren 20km. Morgen nehme ich die U-Bahn. Dafür, daß ich den ganzen Tag auf Achse war, habe ich wenig gesehen. Morgen muß ich das optimieren.

Tokyo / Fußmarsch am Tag 1

Bin erstaunlicherweise schon um 7 Uhr wach (0 Uhr MESZ). Keine Ahnung wie ich das gemacht habe. Das Futon ist nahe dran an meinem Bett zu Hause. Sehr bequem. Schnell japanisch duschen und zum Frühstück. Es wird eine europäisch, japanische Mischung: eingelegtes Gemüse, Misosuppe, Reise, Brötchen, Kaffee und Marmelade von Kraft. Das ist weniger ein Experiment als vielmehr ein Backuplan, falls das japaniche Frühstück nicht mein Fall ist.

Die Wettervorhersage sagt 31 Grad voraus. Die Bewölkung soll in den nächsten Tagen zunehmen. Also ist heute der große Tokyo-Rundgang. Der Plan ist:
Ueno-Park — Nezu Jinja — Shinjuku — Meiji Shrine — Shibuya

Ueno-Park. Hier soll die Reise starten. Ich war gestern schon mit Koffern hier. Zwei riesige Teiche. Der eine komplett zu mit Seerosen, oder sowas. Am Ende steht ein kleiner Tempel. ich sehe auch eine Pagode, aber irgendwie ist ein Zaun im Weg.[Nachtrag: Das hier war gar nicht der Ueno-Park. Das stelle ich aber erst 2006 fest.]

Der erste Tempel. Ich laufe nach Norden durch kleine Gassen. Die Farbe grün kommt nur in kleinen Blumentöpfen vor, die auf dem Gehweg stehen. Die japanische Version eines Vorgartens? Naja, viel Platz ist nicht. Dann der erste Tempel, oder Schrein? Ein alter Holzbau auf einer leeren Fläche. Ein Zaun, dahinter der Spieplatz eines Kindergartens.

Nezu Jinja. Ich habe die Strecke auf der Karte unterschätzt. Aber hier muß ich wohl abbiegen. Japp. Hier ist der Eingang. Wow. Ein Wald in Tokyo. Davor ein rotes Tor. Ich trete ein und vergesse fast sofort, daß ich in einer Millionenmetropole bin. Der Weg führt zwischen Bäumen hindurch auf einen breiteren Weg. Hab wohl den Nebeneingang genommen. Vor mir ein kleiner Shinto-Altar mit Glocke. Links auf einer Anhöhe dutzende kleine Torii in leuchtend rot-orange. Ich gehe durchsie hindurch. Muß den Kopf einziehen. Vorbei an kleine Büschen führt der Weg zu einem Teich. Über die Brücke gelange ich auf einen großen Sandplatz. Hier steht ein großes Mon. Ein Tor mit ausladendem Dach. Dahinter ein weiterer Platz und eine Halle. Alles ist in dunklem rot. Ich bin beeindruckt. Der Reisefüher hat nicht zu viel versprochen.

ToDai. Der Weg führt mich an der Tokyo Universität (TokyoU oder ToDai genannt) vorbei. Das Gelände ist edel. Ein rotes Tor und man steht auf elitärem Boden. Wie in Irland betritt man eine andere Welt. Tokyo ist draußen. Viele Gebäude haben gotische Stilelemente.  Ein riesiger Dojo für Kendo und Karate. Dahinter ein Park mit Teich und einem kleinen Wald. Das alte Audimax, Wahrzeichen der Uni.

Tokyo Dome. Der Weg führt weiter in Richtung Tokyo Dome. Ich sollte mal zu Hause anrufen und sagen, daß alles ok ist. Die öffentlichen Telefone sind wirklich grün. Und ich bin zu blöd, sie zu bedienen. Ich kriege keine Verbindung hin. Merke, daß nicht jedes Telefon für internationale Gespräche ausgelegt ist. Ich brache zudem eine Telefonkarte. Also ab in das Hotel und zu fragen. Ich wollte nur fragen wo man die Karten kriegt und das passende Telefon findet. Beides im Hotel, so die Antwort. Dennoch schaffe ich es nicht über das Freizeichen hinaus. Ich brauche Hilfe; und lerne: 0049 ist nicht unbedingt die richtige Vorwahl für Deutschland. Das hängt von der Telefongesellschaft ab. Oft braucht man eine Spezielle Vorwahl vor der Vorwahl. Dann klappt es doch noch mit dem Anruf. Grüße in die Heimat, wo es jetzt 21 uhr sein dürfte.

Iidabashi. Jetzt die Straße hinunter und dann dem Flußlauf folgen. Und der Hauptstraße entland. Über dem Flußlauf, auf Stelzen, ist die Autobahn. Der Weg wird immer länger. Die Hitze immer schlimmer. Ich passiere das japanische Verteidigungsministerium. Verdammt, dann habe ich den Yasukuni-Schrein verpaßt. Aber ich habe keine Motivation zurück zu laufen. Shinjuku ist das Ziel. Kurz bevor ich da bin stoppe ich noch bei einem Tempel, der rechts in zweiter Reihe liegt. Die Straße geht jetzt etwas bergab. Gut.

Shinjuku. Das Chaos nimmt zu. Ich nähere mich der Bahnstation Shinjuku. Um diesen Bahnhof herum pulsiert Tokyo. Geschäfte, Kneipen, Büros und Verkehr. Alles auf engstem Raum, teilweise übereinander. Hinter dem Bahnhof die Skyline von Shinjuku mit dem markanten Twin Tower. Es ist das höchste Rathaus der Welt. Imposant. Ich steure durch die Hochhäuse, diese Bürotürme, hindurch darauf zu. Die Straße führt unter (!) dem Gebäude durch. Wow. Über mir sind jetzt 50 Stockwerke aus Stahl und Beton. Aber wo ist der Eingang. Die Türme sollen ein Aussichtsplatform haben. Ich stehe auf der Rückseite. Besser. Von hier aus habe ich keine Gegenlicht. Hinter dem breiten Weg ein Park. Haut mich jetzt nicht vom Hocker.

Meiji Jingu. Ich verlaufe mich. Versuche mich am Expressway, der Autobahn auf Stelzen, zu orientieren. Unter ihr hindurch. Hier sollte der Eingang sein. Geschlossen? Wie jetzt? Das Tor ist zu. 16:30 Uhr wird zu gemacht. Sch*** Es ist bereits 17 Uhr. Damit hatte ich nicht gerechnet: Weder daß es so spät ist, noch daß der Schrein so früh geschlossen wird. Ich ärgere mich. Also um den Schrein herum nach Shibuya. Über mir ist der Expressway, die Autobahn. Hier unten stehen Wohnhäuser; nicht nur zweitklassige Mietbunker. Einfamilienhäuser. Sie stehen teilweise unter dem Expressway. Nicht zu fassen.

(Weiter geht es im zweiten Teil … Versprochen, die nachfolgenden Blogs werden kürzer. Aber heute sind so viele Eindrücke auf mich eingebrochen, habe nicht einmal alle verdaut.)

Erste Schritte auf fremdem Grund / Ueno

Nach 90 Minuten erreichen wir Tokyo im Untergrund. Vor zwei Stationen ging es in den Keller. Ich steige aus und nehme den ersten Ausgang. Wow. Heiß. Über 30 Grad. Vor mir der Eingang zu einem Park. Der Ueno-Park. Ich bin Richtung. Ich laufe durch den Park. Es ist kurz nach 18 Uhr und es dämmert bereits. Im Park steht ein Handkarren mit Essen. Wie in den Anime. Wow. Es gibt sie wirklich.

Ich laufe durch den Park vorbei an den Seerosen. Zurück zur Straße. Der erste Eindruck: laut, bunt, schrill, viele Autos, Werbung überall. So habe ich mir das vorgestellt. So waren die Fotos in den Reiseführern.

Der Weg zum Hotel führt über markante Punkte: Bis zur zweiten Polizeibox, dann rechts, an der nächsten Kreuzung … wow, der Koffer wird schwer, kurze Pause … links, bis zur Tankstelle und dann nur noch rechts und … den Berg hinauf? Das darf doch nicht wahr sein. Der Koffer ist mittlerweile wirklich schwer, es ist heiß und jeder Schritt bergauf ist anstrengend. Nächste Pause.

Ich frage lieber nach dem Weg. Die Antwort ist peinlich. Sagen wir es so. Von der anderen Seite der Straße hätte ich die riesigen Buchstaben HOTEL EDOYA lesen können. 50m von meiner jetzigen Position. Ups.

Ab in die Lobby. Check-in und rauf ins Zimmer. Wow. Ein Flur. Badezimmer und Toilette sind in getrennten Räumen. 2 Tatamiräume (Wohn- und Schlafzimmer). Genau so habe ich mir das vorgstellt. Japanisch. Jetzt noch eine Küche und ich ziehe ein.

Nach einer erfrischenden Dusche geht es gegen 19:15 runter in das Restaurant. Wieder bin ich begeistert. Viel Holz. Es wirkt exotisch anders, aber nicht kitschig wie in Chinarestaurants. Ich bestelle ein Bier (550en) und ein Diner Set (1380) bestehend aus Sukiyaki und Tempura. Ersteres ist dünnes Rindfleisch in einer Brühe, die in einem Tontopf über einem Brenner köchelt. Als Dipp gibt es ein rohes Ei. Uuh. Tempura sind Garnelen und Gemüse im Eiteigmantel. Dazu gibt es Reis, Suppe und Salat. Alles unglaublich lecker. Selbst das rohe Ei. Der Geschmack Ei + Fleisch ist echt einen Versuch wert. Die Rechnung sind 2026en ??? Achtung: Die Preise in der Karte waren Netto. Mach das mal in Deutschland.

Bevor ich ins Bett – nein, Futon – falle noch ein Rundgang durch die Straße der großen Stadt. Ich trete vor die Tür. Der Temperaturhammer trifft mich. Air Condition ist so toll. Draußen sind jetzt um 21 Uhr immer noch über 25 Grad; und es ist schwül.

Auf der Straße am Uenobahnhof wirken die Reklamen jetzt noch bunter. Es ist immer noch quirlig, laut und chaotisch. Ampeln, Autobeleuchtung und die Reklame verschmelzen zu einem Lichtmeer. Üüberall wird zum betreten von Kneipen animiert, sind doch Kneipen oder?

Ueno scheint eine riesige bautelle zu sein. überall Gelblicht, Absperrgitter mit roten Leuchten, Bagger blinkende verkehrsleutkegel und Sicherheitzspersonal mit Leuchtstäbe und blinkenden Warnwesten. Die Bauarbeiter tragen weiße Handschuhe; unfaßbar. Offensichtlich wird die Nacht durchgearbeitet. Die bautelle wirkt aufgeräumt, als ob die gleich feierabend machen. Alles hat seinen markierten Platz. Man wird höflich auf die Umleitung hingewiesen, als ob man bei den ganzen Absperrmaßnahmen eine Wahl hätte.

Jetzt noch einen Abstecher in den Ueno-Park. Es ist dunkel. Und überall herum die hellen Lichter. Die Häuser sind teilweise bis zur Dachspitze mit Leuchtreklame zugepflastert. Außer mir sind hier noch Pärchen und Obdachlose unterwegs; komische Kombination.

Ich laufe die Straße runter am Hotelabzweiger vorbei in die andere Richtiung. Akihabara. Das ist also Akihabara. Es ist noch bunter, lauter und schriller. Wow. Viele Läden sind schon zu. Dennoch ist einiges los. Auf dem Weg zurück zum Hotel sehe ich überall Suhshiläden und Garküchen. Verhungern werde ich nicht. Und ich entdecke noch eine japanische Eigenart: Die Eingangstüren zu den Läden sehen heute immer noch so aus, als wäre es Papierschiebetüren. In der Tür hängt ein Vorhang. Bei offener Tür sieht man Gäste, aber man sieht ihr Gesicht nicht.

Soviel für heute …